Wir kennen uns doch irgendwoher?:-)

Im Hier und Heute bin ich glücklich und zufrieden. Mit dem, was ich bin und auch mit allem, was mich zu dem, was ich bin, gemacht hat. Nichtsdestotrotz gibt es viele Dinge in meiner Vergangenheit, die ich zutiefst hasse und die ich verabscheue, aber sie gehören zu mir und sie haben dazu beigetragen, dass ich das, was ich bin, geworden bin. Ja, wie erwähnt, ich hasse wirklich vieles an meiner Vergangenheit, aber ich bin auch gezwungen, sie immer und überallhin mitzunehmen und herumzutragen. Ich bin mir ganz sicher, dass ich schon Jahre vorher gestorben bin, bevor ich den Radikalsten aller Schritte wagte und gehen wollte. Jahre später,im Hier und Heute – damals habe ich es nicht geahnt – bin ich froh, dass es so gekommen ist, wie es gekommen ist. Damals, war ich wirklich tot. Tot und seelenlos. Nicht einmal eine Seele hatte ich. Was ist ein menschliches Leben wert, wenn in dem Menschen nicht einmal eine Seele wohnt? Sooft habe ich mir die Seele aus dem Leib gekotzt, dass ich am Ende sicher war, dass sie nicht mehr vorhanden ist. Somit war ich, in meiner Welt – die nur in meinem Kopf stattfand – auch nicht mehr da. Aber irgendwie und irgendwo muss ich dagewesen sein, sonst wäre ich jetzt sicher nicht mehr in Leib und Blut da. Ein Punkt, von ein paar anderen Punkten, der den Reiz der Essstörung für mich persönlich immer ausmachten, war, dass ich tief in mir wusste, dass ich daran sterben kann. Das war der ursprüngliche Plan. Aber wie gesagt/geschrieben/getippt, das war nur ein Punkt, aber ein wichtiger Punkt! Ich wusste immer, ich kann sterben. Am Anfang dachte ich noch: Ich werde daran sterben, irgendwann! Mit der Zeit, mit den Jahren dachte ich dann: Ich kann jederzeit sterben. Ich kann bei meinem nächsten Ess- Brechanfall sterben! Es war ein merkwürdiges Gefühl. Zugleich beängstigend – das war wohl der Teil in mir, der nicht sterben wollte und dem ich es wohl im Hier und Jetzt noch zu verdanken habe, dass ich noch da bin! DANKE! Aber es war auch ein beruhigendes Gefühl: Dann ist es vorbei! Dann ist alles Leid und der ganze Scheiss vorbei! Ich will nicht mehr! Ich kann nicht mehr! Was ich damals schon wusste und heute auch immer noch weiss, ist, das Süchte im Allgemeinen und dazu zähle ich persönlich Essstörungen auch, sonst würde es sicher nicht MagerSUCHT oder Ess-BrechSUCHT heissen, immer auch eine Form von Selbstmord auf Raten sind. Ja, man stirbt vielleicht nicht beim ersten Mal, man stirbt vielleicht nicht bei fünf Kilo Untergewicht, aber wenn die Reise in dieses Land des Elends fortgesetzt wird, dann liegt die Wahrscheinlichkeit von TOD bei 100 Prozent! Das war auch immer irgendwie tröstend. Ich wollte ES nicht schnell hinter mich bringen. Ich wollte mich davor auch noch ein paar Runden richtig quälen und foltern. Geschafft, habe ich es allemal. Auf Raten eben. Ich wollte dabei zuschauen, wie ich zerfalle und vor die Hunde gehe und das Schlimmste, was ich allen Familienmitgliedern und Freunden angetan habe – ich habe sie dabei zusehen lassen! Das ist nicht zu entschuldigen und trotzdem senke ich mein Haupt und versuche es: ES TUT MIR LEID; DASS ICH EUCH DAS ANGETAN UND ZUGEMUTET HABE! Der Zerfall war sichtbar: Haarausfall, Zahnausfall, Ausbleiben der Regelblutung, das Immer – Weniger – Werden, Herz – Rhythmus – Störungen: Ja, für Sekunden blieb mein Herz einfach stehen und pochte nicht mehr weiter. Tot für Sekunden, aber tot! Die Schädigung der inneren Organe und die Veränderungen im Gehirn und die Aussetzer und etc. Innerlich war ich irgendwann wirklich tot und da habe ich es auch genossen, mir beim äußerlichen Zerfall zuzuschauen. Ein langer Weg von der Entmenschlichung zur persönlichen Verstümmelung, aber ich bin ihn gegangen.

Wenn ich heute in den Spiegel schaue, dann sehe ich auch immer noch diese Frau, dieses Mädchen, diese Person, diese Gestalt. Ein Etwas, was alles, was mit Leben zutun hatte, einfach aus dem Fenster geworfen hatte, als wäre es nichts wert! Damals war es das vielleicht auch nicht, aber auch nur eigentlich nicht, denn Leben ist immer wertvoll! Es gibt nur das Eine, soweit wir das wissen und wie schrecklich und schlimm das Leben manchmal sein kann und auch manchmal ist, es ist das Leben! Leben ist Atmen, Riechen, Schmecken, Fühlen. Die Horrorfilmzombies, die Horrorfilmgeister, die Horrorfilmdämonen, Vampire etc. kennt Jeder. Sowas war ich wohl auch, aber Sowas will ich sicher nicht sein. Jetzt will ich das alles: Das Atmen, das Riechen, das Schmecken, das Fühlen.

Die beschriebene Frau von oben, das ICH der damaligen Zeit, kommt mir heute ein wenig seltsam vor. Wie eine alte Freundin aus einer längst vergessenen Zeit, aber nicht wirklich vergessen. Wie Jemand, den man auf der Straße sieht und bei dem man denkt: Die kenne ich doch irgendwoher?? Ihr Handeln kann ich noch nachempfinden und nachfühlen. Ich weiss, dass ich damals diesen Weg aus einem guten Grund gegangen bin, aber ich weiss auch, dass ich irgendwann auch abgebogen bin und das das war richtig. Ich mag diese Person gerne, sie ist ein wenig wie ich mal war, aber Zeit möchte ich mit ihr keine mehr verbringen. Ich lächle ihr auf der Straße zu, wenn ich sie sehe und laufe dann weiter meinen Lebensweg. Ich denke an sie, immer wieder mal und ich sehe sie hier und da, aber eigentlich haben wir den Bezug zueinander verloren und obwohl ich ein Mensch bin, der gerne auch Kontakte hegt und pflegt, denke ich bei ihr doch eher, dass wir nicht so häufig aufeinanderprallen sollten. Ein Gruß auf der Straßen ,ein Kopfnicken hier und da, ein Lächeln, wenn wir uns begegnen, aber mehr Kontakt ist nicht erwünscht. Damals haben wir wilde Parties zusammen gefeiert, tanzten mit dem Tod und spielten mit dem Leben. Vielleicht liegt es aber auch einfach nur an mir. Vielleicht habe ich mich verändert. Ich tanze immer noch gerne und meinen Rucksack habe ich stets dabei. Da ist auch alles drin, was ich brauche, was ich war, was ich bin, was ich mir zu werden wünsche, aber ich bin auch eine kleine Balletttänzerin und wir kleinen Pseudoprimaballerinas:-) tanzen für gewöhnlich doch gerne alleine. Ich geb zu, ich will mir nicht die Show stehlen lassen:-)

2 Gedanken zu „Wir kennen uns doch irgendwoher?:-)

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