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Leben ist das, was währenddessen passiert

Du hast dein Leben selbst in der Hand!? Du kannst es gestalten wie du es magst!? Du kannst dein Leben leben, wie du es willst!?

Alle diese Sätze hört man immer wieder und sie stimmen bis zu einem gewissen Punkt auch, aber ich denke wahrlich nicht, dass das hundertprozentig so ist. Es mag sein, dass wir eine spezielle Vorstellung davon haben, wie unser Leben verlaufen sollte. Jeder Mensch hat Wünsche, Hoffnungen, Träume und jeder möchte am Liebsten, dass sich dies alles erfüllt. Das ist normal und daran ist nichts verwerflich. Aber ob das dann tatsächlich so eintritt, wie Mensch das will, dass steht doch eigentlich auf einem ganz anderen Zettel geschrieben. Sicher, wir haben Optionen und die Wahl. Was will ich, was wünsche ich mir, was gefällt mir, welche Richtung möchte ich einschlagen, wo will ich hin, was will ich nicht. Wir haben das Recht und die Möglichkeit frei zu entscheiden und frei zu wählen, aber ich habe wirklich meine Zweifel daran, ob das immer so ist. Manchmal haben wir vielleicht nicht wirklich die freie Wahl. Manchmal tun wir Dinge, die wir nicht möchten, weil wir nicht anders können, weil es nicht anders geht, weil wir gezwungen werden, etwas zu tun. Im Großen und Ganzen darf jeder tun und lassen, was es will. Mit Einschränkungen natürlich. Es gibt Regeln und Gesetze und Richtlinien, aber fernab davon haben wir einen freien Willen und die freie Wahl. Nichtsdestotrotz gibt es doch auch Dinge, die einem im Leben widerfahren, die man so für sich nicht eingeplant hat. Sie sind einfach passiert, ohne, dass man sich bewusst dafür entschieden hat.

Ich bin nicht eines Morgens aufgewacht und habe den festen Plan gehabt, die nächsten Jahre meines Lebens an einer Essstörung zu leiden. Ich habe mich sicher nicht bewusst dafür entschieden krank zu sein. Niemand hat mich gefragt, ob ich das möchte. Nicht einmal ich selber habe mich damals gefragt, ob ich das möchte. Ich habe erst Jahre später die Erkenntnis gewonnen, dass ich das nicht möchte, aber in der Zwischenzeit habe ich gelitten. Und ich habe mich nie bewusst für das leiden entschieden. Auch in meinen schwersten Stunden, wollte ich nur, dass es aufhört. Dass der Schmerz endlich aufhört. Ich habe mich in den Schlaf geweint mit der Bitte an alle eventuellen Götter: Helft mir! Man entscheidet sich nicht aus freien Stücken für eine Essstörung, man entscheidet sich nicht aus freien Stücken für Depressionen. Es passiert einfach. Wie, warum, weshalb ist dabei gar nicht das Wichtigste. Es ist dann ebenso wie es ist. Ich bin diesen weg gegangen, aber sicher nicht, weil ich das so sehnlichst wollte.

Warum ich nun darauf komme, ist ganz einfach. Ich hatte neulich eine Unterhaltung mit einer Person über die Person, über mich, über sein Leben und über mein Leben und da habe ich den Satz gehört: Du hattest aber auch immer die Möglichkeit es anders zu machen! Das ist absolut wahr und es stimmt. Ich hatte immer die Option mich zu entscheiden. Einfach mit dem ganzen Kram aufzuhören und nicht mehr über der Kloschüssel zu hängen!Aber, alle Menschen, die an einer Sucht leiden und ich formuliere es bewusst so:LEIDEN – kein Suchtkranker, egal welche Sucht, in einem sehr leidvollen Stadium geniesst seine Situation oder sein Handeln –  wissen, wie schwer es ist, einfach mal so aufzuhören! Sucht ist nichts Schönes. Niemand möchte so leben, wenn er ehrlich zu sich und zu seinen Außenstehenden ist. Ich wollte so nicht leben, aber ich konnte in der damaligen Situation nicht anders. Es war einfach wie es eben war. Ich habe mir jeden Abend, bevor ich ins Bett gegangen bin geschworen und es mir fest vorgenommen: Morgen wird alles anders. Morgen hörst du auf. Ich wollte es wirklich. Ich habe es genau so gemeint, wie ich es formuliert habe, aber ich konnte es nicht. Die Jahre vergingen und irgendwann habe ich es geschafft, aber das war verdammt viel harte und sehr qualvolle Arbeit. Auch das habe ich mir so nicht ausgesucht.

Sicher haben wir die freie Wahl und die freie Entscheidung unser leben so zu leben, wie wir es wollen, aber es gibt doch einfach auch Dinge, die wir nicht steuern können, die einfach passieren, für die wir uns eben nicht entscheiden, aber sie kommen und bleiben. Wir können sicher viele Dinge in unserem leben steuern, beeinflussen und kontrollieren, aber nicht alles und nicht immer. Auch was zwischenmenschliche Beziehungen betrifft, geht das nicht. Um jetzt ein anderes Beispiel zu nennen. Ich kann niemanden zwingen mit mir zusammenzusein, mit mir befreundet zu sein, mich zu mögen, wenn diese Person das nicht möchte. Es entzieht sich meiner Kontrolle. Wir können also Wünsche haben, Hoffnungen und Träume, aber eine Garantie, das es so eintritt, gibt es nicht. Manchmal kommt es eben anders, als geplant, gewünscht, erwartet, erhofft. Wie sagte John Lennon doch mal so passend: Das Leben passiert, während wir dabei sind andere Pläne zu machen!

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