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Der glückliche Maler

Um vier Uhr in der Nacht,

um vier Uhr in der Frühe,

starb ein großer Maler.

Ein Meister der Kreativität.

Ein Talent des Heute.

Einsam, still und leise starb er in seinem Bette.

Schmerzfrei starb er wohlig im tiefsten Schlafe.

Er starb in seiner Wohnung unterm Dach,

ohne ein Wort des Abschieds.

 

In jeder Ecke seiner Bleibe hing ein anderer Geruch.

Die Vergangenheit, die Gegenwart, die Zukunft, die keine mehr ist.

Das Morgen bleibt eben stets ein Geheimnis,

es entzieht sich der menschlichen Kontrolle.

Jede Ecke, jeder Winkel roch nach einer anderen Zeit.

So hat man es mir erzählt.

Ich war nicht da,

wärs gerne gewesen.

 

Wie riecht die Vergangenheit?

Wie riecht die Gegenwart?

Wie riecht die Zukunft?

Ich war nicht da,

wärs aber gerne gewesen.

 

Alles das vermischte sich mit dem Duft von bunten Ölfarben.

Davon gehe ich stark aus.

Mein Kopf geht davon aus.

Mein Herz umso mehr.

Aber wissen werde ich es nie,

denn ich war nicht da,

wärs aber gerne gewesen.

 

Ich sehe seine Bilder vor mir,

deutlich und klar.

Sehe sie in Farben auf großen Leinwänden.

diese eigen gespannt und erschaffen, für sich, für ihn.

Darauf die wunderschönen, korpulenten Frauen und die zerbrechlich wirkenden Männer beim Liebesakt.

Die Magie von Liebe und Leidenschaft, oder nur Leidenschaft, eingefangen, festgehalten auf Wänden aus Leinen.

Ich sehe sie klar:

Die tanzenden Schönheiten, die ihre schlaksigen Liebhaber auf die, nach Salz schmeckenden, Hälse küssen.

Orale Liebesbekundungen.

Ich sehe die rauchenden Damen in ihren pompösen Kleidern.

Die bebarten Herren in ihren zu engen Anzügen.

Aber, wer will denn nicht gefallen?

Wer will denn nicht begehrt werden?

Alle sehnen, alle blicken umher,

auf der Suche nach Anerkennung und mehr.

 

Außerhalb stets der Maler,

entfernt vom Geschehen.

Sehend, vielleicht doch mehr dabei als sie und er und beide.

Er, unbeobachtet und stets alleine.

Der Festhalter des Augenblicks.

Der Zeiger des Moments.

Der Beobachter am Rande.

 

Der Prediger, der stets predigte:

Gebt mir Inspiration!

Lebt es aus!

Lebt alles aus!

Genießt das Leben!

Ich werde euch das Glück einfangen und es für euch festhalten.

 

Er predigte und predigte dies stets.

Er wünschte und wünschte es sich stets.

Er predigte und wünschte immer wieder.

 

Alleine und einsam starb er zwischen seinen Leinwänden, zwischen allen toten und lebendigen Gerüchen.

Und leider zeigen nur seine Bilder, nicht sein Leben, das Glück und die Liebe.

 

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