Üben ist gut!

Ich bin ein Denker!

Nein, ich bin kein Philosoph:-) Ich bin einfach ein Mensch, der sich stets Gedanken macht und dieses Denken hört auch selten mal auf.Ich denke ständig über etwas nach. Andauernd arbeitet mein Kopf und mein Hirn. Ich denke darüber nach, was ich gerade getan habe. Ich denke darüber nach, was ich noch tun muss. Ich denke über meine Familie nach, über meine Freunde, über meinen Freund, über seine Familie, seine Freunde. Ich denke darüber nach, dass ich ein eigenartiges Verhältnis zu meiner Mutter habe. Ich denke darüber nach, dass mein Bruder und ich so selten miteinander reden. Ich denke darüber nach, wie ich das Wochenende schön gestalten kann für meinen Freund, da ich eine Wochenendbeziehung führe und meinen Freund nur am Wochenende sehe. Ich denke darüber nach, was ich meinem Freund schreiben soll am Tag und wann am besten? Ich plane meine Einkäufe, meine Mahlzeiten. Selbst das auf-dem-Sofa-liegen muss ich in meinem Kopf durchgehen. Ich habe drei Nebenjobs, mit denen ich mir mein Leben finanziere. Je nachdem wo ich gerade herkomme, denke ich auf dem Heimweg darüber nach, ob ich erst dusche oder erst was esse? Ob ich erst meine beste Freundin anrufe oder doch eher erst meinen Freund? Ob ich lieber die graue, bequeme Jogginghose anziehen sollte zum Chillen vorm Tv oder doch eher die schwarze Leggings? In meinem Kopf ist immer was los und das nervt manchmal so sehr. Manchmal würde ich mein Denken gerne aufhalten. Manchmal hätte ich einfach nur gerne Ruhe vor dem Summen und Machen und Wüten in meinem Kopf. Es klingt so leicht: Höre auf zu Denken! Es ist so schwer: Das Aufhören zu denken!

Bei mir gibt es nur eine Möglichkeit den Kopf einfach mal auszuschalten. Das ist das Tanzen. Nicht irgendwas und drauflos. Nein, es ist das Ballett tanzen. Das war es schon immer. Da kann ich aufhören zu denken. Da bin ich frei von allen Gedanken und allen Gefühlen. Da bin ich einfach nur ein Körper, der lebt und frei ist. Ich tanze seit über zwanzig Jahren Ballett. Ich gebe zu: Mit Unterbrechungen! In den schlimmsten Phasen meiner Essstörung war es oft eher kontraproduktiv als hilfreich, aber ich liebte es, liebe es und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es immer lieben werde.

Ich war fünf Jahre alt, als meine Mutter mich zu meiner ersten Ballettstunde geschleift hatte. Nicht sie wollte es, nein, ich wollte es!

Ich habe im Fernsehen immer diese Tänzerinnen gesehen. Bitte nicht fragen wo, aber ich sah sie. Sie sprangen und tanzten und sahen so bildschön aus. Ich sagte zu meinen Eltern: Ich will auch so fliegen!

Meine Mama fand das süß. Mein Paps ist professioneller Sportler. Er hat sein Geld mit seinem Sport gemacht. Er fand das mehr als süß! Er dachte wohl, dass ich in seine Fußstapfen treten könnte, wenn ich auch was Sportliches mache.

Meine Mutter kommt aus einer Akademikerfamilie und mein Paps wurde da immer belächelt, dass er nur ein erfolgreicher Sportler war ohne einen anständigen Abschluss. Geschadet hat es ihm finanziell zwar nicht, aber eine akademische Laufbahn kann mein Papa trotzdem nicht vorweisen und in der Familie meiner Mutter ist das immer ein K.O.-Kriterium!:-) Warum auch immer!?

Meine erste Ballettstunde war schrecklich. Klein-Mia stand da! Alle hatte tolle Outfits und ich hatte nur einen gestreiften Body in Pastellfarben. Gelb, lindgrün und apricot! Alle kleinen Mädchen kannte die Schritte. Sie waren vorne als ich hinten war und als ich vorne war, waren sie bereits hinter mir, für den nächsten Schritt bereit! Dreimal bin ich über meine eigenen Füsse gestolpert und nach der Stunde wollte ich nur noch nach Hause. Den ganzen Heimweg habe ich nur geweint. Ich wollte da nie wieder hin.

Zwei Tage Tränenmeer später kam mein Papa nach Hause. War mal wieder unterwegs. Ich weinte, ich schluchzte etc.

Am Abend drauf kam mein Paps auf mich zu und meinte: Wir schauen jetzt einen Film. Nur wir zwei!

Es war kein Film. Es war ein Video mit Balletttänzerinnen, die stolpern, fallen und ihre Schritte vergessen. Ich musste lachen. Mein Paps nahm mich dann in den Arm und meinte: Weisst du, warum ich sooft weg bin? Ich muss üben! Wenn du fliegen willst, musst du üben. Die Anderen haben schon geübt und jetzt können sie fliegen und wenn du jetzt auch übst, dann kannst du auch fliegen. Willst du noch fliegen lernen?

Ja, ich wollte noch fliegen lernen.

Ich bin wieder mit meiner Mama zur Ballettstunde. Besser als vorher war ich nicht. Ich schaute mir das Video erneut an und das Mal drauf auch und auch das Mal drauf. Eines Tages habe ich zwei Schritte richtig getanzt. Seitdem tanze ich regelmäßig Ballett und ich bin mittlerweile gar nicht so schlecht, denn mein Paps hatte recht: Übung bringt was!

Und neben dem Tanz an sich kann ich dabei sogar frei sein, denn nichts auf dieser Welt bringt mich mehr dazu meinen Kopf auszuschalten als das Fliegen.

11 Gedanken zu „Üben ist gut!

  1. “My head is the city that never sleeps”

    Ich kann das gut verstehen, meine Gedanken geben Ruhe wenn ich renne, Fußball spiele, mich verausgabe. Dann gibt es anderes mehr als die Bewegung, für den Moment bin ich frei.

  2. Heute hat mir ein Mensch, den ich sehr liebe, geschrieben, “Mach Dir keine Gedanken”.
    Wenn das mal so einfach wäre. Ist es doch eine Aufforderung, gerade dann an diesen lieben Menschen zu denken, ihm nahe sein zu wollen, zumindest in Gedanken, bei ihm sein zu wollen.

    Liebe Mia, ich kann das auch nicht, mir keine Gedanken zu machen. Manchmal ist das auch etwas lästig, aber ich glaube, das macht uns auch. Sich Gedanken machen, nicht damit aufzuhören. Man kann nicht, nichts denken…

    LG
    Thomas

  3. Ich sehe, wie Menschen sich anschreien.
    Wo mein Engelchen versucht, nicht hinzuhören,
    Sagt mein Teufelchen, sie seien selber schuld.
    Und dann bin ich verwirrt:-)

    Nicht denken geht wohl nicht!!!

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