Ich dachte, aber ich bin nicht gut im Denken:-)

Liebesbrief von Germaine de Staël an Adolf Ludwig Ribbing

Coppet, 30. November

Du hast ganz recht, mein einziger Freund, mein engelsgleicher Adolphe,
wenn Du Dich über meine wilden Wutanfälle lustig machst. Und du hast
sogar noch mehr recht, wenn Du Dir sicher bist, dass der Frühling, wenn
er Dich mir wiederbringt, jede Spur meiner Ressentiments verwischen
wird. Dich wiedersehen, Dich wiedersehen! Ach, soll dieses Glück mir
tatsächlich beschieden sein? Das Blut stockt mir in den Adern, wenn
meine Fantasie, die doch so oft so düster ist, sich für einen Moment
daran versucht, sich auszumalen, wie mein Adolphe die Tür zu einem
Zimmer öffnet, in dem ich sitze, wie jenes himmlische Angesicht dann
alles erleuchtet, was mich umgibt – dass er da wäre! Ach, mein Gott!
Dass das Wissen um diese Deine Macht Dir die Sorge um alles nehmen
möge, nur um meinen Schmerz nicht! Es kann doch nicht in Deinem
Sinne sein, dass ich mich gräme! Du kannst doch nicht wirklich närrisch
genug sein, von mir zu verlangen, dass ich meinen Freund nicht in eine
Schreibmaschine verwandle! Ich würde ja eher meine Literatur aufgeben,
die mich so auszeichnet, und der Behauptung zustimmen, Achilles wäre
kein Homerer! Aber ist einer eine Maschine, wenn er an seine Freundin
schreibt? Ist es eine Qual für ihn, zwei Stunden in der Woche zu opfern,
um ihr grossen Schmerz zu ersparen und ihr eine ganz ausserordentliche
Freude zu machen? Ich wüsste doch nicht, was sonst im Leben eines
jedweden Mannes mehr Wert trüge, als einem zarten Wesen tiefe Pein
zu ersparen! […] Ich wünschte, es wäre Ihnen ein Bedürfnis mir zu
schreiben; ich akzeptiere, dass Sie es für mich tun. […]
Es ist unerlässlich für mich, dass Sie mich lieben – und ich brauche
jeden einzelnen Beweis, dass Sie es auch tatsächlich tun.

5 Gedanken zu „Ich dachte, aber ich bin nicht gut im Denken:-)

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