Veröffentlichung 2 –Part 2

Und wieder ist er da, der Montag:-) Die neue Woche hat begonnen und ich hoffe ihr hattet alle einen angenehmen und schönen Start:-)
Letzte Woche habe ich euch von meiner Veröffentlichung in der Anthologie Wenn Worte blühen erzählen dürfen.
Heute möchte ich einfach mal diese Kurzgeschichte mit euch teilen und hoffe sie gefällt euch:-)
Danach war es das aber auch mit dem kleinen Exkurs und die reguläre Reihe der Montagslyriker geht wie gewohnt weiter;-)
Bleibt uns wohl gesinnt:-*

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Versuchsweise

Ein Tanz im warmen Sommerregen. Das war es für mich. Das waren wir für mich. Der Himmel sang Liebeslieder für uns und auf uns und umarmte uns mit seinen Regentropfen. Ich dachte, dass es ewig so bleiben würde. Das WIR bleiben würden. Anscheinend sollte es so nicht sein. Dass du einfach gehst, hätte ich nicht gedacht.
Weshalb und warum und wieso?
Die Qual, die Pein, der Seelenschmerz. Seit Wochen kleben alle meine Gedankenfäden aneinander und an diesen Worten und Fragen. Fragen, die du mir beantworten solltest. Das solltest du. Das denke ich und weiss, dass du es nicht kannst.
Ich frage mich und dich und ich frage und frage, aber ich erhalte keine Antwort. Und weisst du, dass meine Tränen den Schmerz, den ich empfinde nicht wegspülen? Weisst du, dass nichts hilft und dass nichts meine Qual zu lindern vermag?
Für immer fort. Das bist du nun und auch wir sind es.
Das Schlafen fällt mir schwer und das Essen und ich kann es nicht ertragen-diese Wohnung ohne dich und doch so voll von deinen Sachen und Dingen. So voll von uns.
Ich habe alles geregelt. So, wie ich es immer getan habe. Ich habe mich um alles gekümmert und wollte doch nur bei dir sein, weil es ohne dich so trostlos ist und so sinnlos.
Das schwarze Kleid, dass ich bei deinem Abschied trug habe ich nicht mehr. Ich habe es einfach weggeschmissen, denn ich habe den Anblick nicht ertragen und alle Erinnerungen, die es in mir wachrief-an diesen Tag. Dich da zu sehen, wie du da liegst und alle da sind und Abschied nehmen möchten. Ich möchte das nicht. Ich will keinen Abschied und so einen Abschied wollte ich auf keinen Fall.
Innerhalb von Sekunden verändert sich ein ganzes Leben. Innerhalb von Sekunden wird ein Leben ausgelöscht. Wir sitzen in einem Boot, aber an unterschiedlichen Seiten.
Die Monate flogen dahin und heute ist mein letzter Termin. Trauerbewältigung nennen sie das. Pure Sinnlosigkeit nenne ich das.
Die alte Schachtel fegt schon seit heute morgen das Laub im Garten zusammen. Manche Nachbarn sind so sinnfrei wie das Laub, dass sie gerade zusammenfegt. Ich habe seitdem kein Wort mit ihr gesprochen. Sie hat keine Beileidskarte geschickt und auch keinen Kuchen gebacken. Sie war einfach nur da und hat geguckt, wie sie immer guckt. Frustriert und grimmig.
Es ist kalt geworden. Ich habe den Schal um den Hals, den du mir zu unserem ersten Jahrestag geschenkt hast. Ich liebe ihn noch. So, wie ich dich noch liebe.
Die Sonne scheint heute etwas und ich stehe hier draußen vor dem Haus und warte auf Rosa. Sie wollte mich heute hier abholen und nach der Sitzung mit mir essen gehen.
Die alte Schachtel fegt nach wie vor fröhlich oder grimmig vor sich hin.
“Frau Peters?”
Ja, das bin ich. Das weiss sie doch? Was will die denn jetzt?
“Frau Maibaum. Wie geht es ihnen?”
“Ihr Verlust tut mir leid.”
Höre auf zu reden. Höre einfach auf zu reden.
“Ich fühle mit ihnen Frau Peters. Seit 40 Jahren schon fühle ich diesen Schmerz, den sie fühlen. Ich wollte ihnen das nur sagen.”
“Frau Maibaum, ich brauche von ihnen kein Mitleid.”
“Mitleid? Nein, Mitleid gibt es sicher genug. Es ist leicht weiterzuexestieren, aber es ist nicht leicht weiterzuleben. Ich weiss das. Versuchen Sie es trotzdem, so gut es geht. Vor 40 Jahren habe ich den liebsten Menschen verloren, den ich hatte und ich habe aufgegeben. Wichtig war ich ihm. Alles hat er getan, damit ich glücklich bin. Das war immer sein Wunsch, dass ich glücklich bin. Als er weg war, habe ich aufgegeben und was sage ich ihm, wenn wir uns wiedersehen im Reich, wenn er mich fragt? Ich sage ihm, dass ich ihm seinen Wunsch nicht erfüllt habe und alle seine Arbeit zunichte gemacht habe. Tun sie das nicht. Werden sie nicht wie ich. Versuchen sie den Sommerregen zu genießen, den schönen Sommerregen und den Wind in ihrem Haar. Versuchen sie den Geruch des Tages einzuatmen und verstecken sie ihr Gesicht bei Kälte in ihrem Schal. Es ist ein schöner Schal, den sie da heute tragen. Versuchen sie zu leben, so gut es geht. Ich wünsche ihnen einen schönen Tag, Frau Peters.”
Keine Beileidskarte und auch keinen Kuchen gab es von ihr. Nur Worte, ein paar, aber sie leuchteten, sie trugen Knospen und blühten. Worte, die blühen, einfach blühen. In mir und um mich herum. Innerhalb von Sekunden verändert sich ein ganzes Leben. Vielleicht werde ich niemals mehr glücklich ohne dich, aber ich werde dich nicht enttäuschen, wenn wir uns endlich wiedersehen, dann irgendwann.

11 Gedanken zu „Veröffentlichung 2 –Part 2

  1. manchmal täuscht man sich in Menschen – wie bei Frau Maibaum … die grimmig monoton ihre Arbeit verrichten und ziellos verschlossen aussehen …
    doch unerwartet sinnlich *leuchtenden Worte* bewirken mehr als Beileidskarten und Kuchenbacken –
    bewirken mehr als über sich selbst zu urteilen … es ist schwer ein Kapitel abzuschließen – wenn es noch nicht einmal zu Ende geschrieben ist
    ja diese Geschichte liegt mir sehr nah am Herzen

    liebe Grüße zum späten Abend liebe Mia 🙂
    die zuzaly

    1. Ich danke dir:-) Ja, so sieht es aus: manchmal passiert genau das, was man sich so gar nicht vorstellen kann und manchmal finden wir da Trost, wo wir ihn nicht zu finden meinen:-)

  2. Eine für mich sehr emotionale Geschichte.

    erste Teil ist für mein Empfinden so authentisch gewesen, dass ich Bilder vor mir sah und mich darin verloren habe. Dieses Verlieren, diese Art des Verlierens, ist immer schwierig für mich. – Aber, dass es mir beim Lesen so geschah, zeigt nur, wie nah an wirklichen Bildern, an wirklichem Empfinden Dein Text ist. – Das ist sehr beeindruckend.

    Der zweite Teil ist wie die Lehre einer Fabel, die auch ich immer wieder mal vergesse, obgleich ich mich seit einigen Jahren bemühe, das bewusst NICHT mehr zu tun.

    Für mich persönlich hast Du einen traurigschönen Text mit einer wichtigen Botschaft geschrieben. Und Deine Sprache passt ganz dazu. Viel mehr geht nicht …

    Viele liebe Grüße an Dich!

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