Montagslyriker Runde 5–der zungenfertige Sprachkrieger

Ich begrüße euch alle am heutigen Montagabend:-)


Endlich ist er wieder da, der Montag:-) Sieben lange Tage haben wir darauf gewartet, denn der Montagabend ist doch der schönste:-) Heute geht es weiter mit unserem dritten Montagslyriker in der Runde. Matthias Breimann https://breimannswelt.wordpress.com/ und ich geleiten euch durch den Abend.
Ich warne euch vor: schnallt euch an, denn dieser Montagslyriker bringt soviel Schwung, Elan und Feuer mit, dass es einem den Boden unter den Füßen wegreißt. Er ist ein wahrer Wortkünstler, der Wortschlösser erbaut und nie um ein Wort verlegen ist. Er paart Klaviermusik mit Hip Hop und kreiert daraus ein ganz eigenes Universum, in welches man sich Hals über Kopf stürzen möchte. Genau da fängt er einen auf, holt einen ab und nimmt einen mit auf eine universelle, experimentelle Reise durch Worte und Wörter.
Nehmt euch Zeit und genießt:-)
Voller Vorfreude darf ich nun den Mann des Abends auf der Bühne begrüßen:
Sascha Schirrmacher

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https://www.facebook.com/SixxBaller?ref=br_rs

 

1. Nenne den Schmerz beim Namen. Wer ist der Dämon, der dich zum Schreiben verführte?
Sprache ist Jazz. Gesegnete Euphorie, die einmal einen glücklichen Moment trifft. Die Zeit muss ihre Ideen finden und ein Date ausmachen mit der Tochter der Freiheit. Ein erstes Kritzeln ist zu vernehmen und die Schreibmaschine macht klack, klack, klack, aber es klick klick tack, boom bap unter meiner Cap. Nur niemand hört das lautlose Tippen auf der glatten Oberfläche meines Smartphones. Kurz: Ich war 16 und verliebt. Durch die Beschäftigung mit Mathematik und Chemie entstand eine Leidenschaft auf der ganz anderen Seite des rationalen Denkens, ein Gefühl wollte lernen sich mitzuteilen. Mit Worten, mit Schreiben und Lesen, ein immer wieder neues Beginnen, das seitdem nicht mehr aufgehört hat. Etwas Wortspielerei und das Entdecken der Ambivalenzen von Sprache verbanden sich nach und nach. Und was ist es heute – ein Träumer, ein Lyriker, ein Poet, ein Grenzgänger, der sich das Schreiben zu einer Aufgabe gemacht hat: Aufklärung bedeutet in unserer Gegenwart, die Tradition des Rationalismus. An den Grenzen sein, hinschauen, wer sie aufbaut und wo sie herkommen, das ist meine Aufgabe als Grenzgänger und – nenne es auch Poet: Geografie und Metaphern verbinden sich. Bist du wach, bist du kritisch? Hilfe bei der Integration, vielleicht wirst du Traumfänger und weckst Menschen auf, rennst, joggst, machst Pause, begleitest jemanden bei seinem Lebenslauf.
Neugierde an der Kultur und das Begreifen der Andersartigkeit in spielerischer Weise öffnen immer wieder neue Räume für das gegenseitige Verstehen. Das gehört zur „Erkenntnis, dass zu jeder kulturellen Differenz immer auch eine Lücke gehört, die die Unterscheidung erst möglich macht. Erst sie macht die Kommunikation zwischen den Kulturen interessant“.
Und nun, Aufgabe meines Literaturverständnisses: Berührungspunkte im Perspeketiventiefenverständnis finden und die Wahrnehmung der Oberflächlichkeit der Textur zu sensibilisieren und mit einer Tätigkeit zu verbinden: Das Aufschreiben, das Sammeln, das Sampeln, das Montieren, das Springen und das Zusammendenken. Das Sortierte in Schwung versetzen und dem Geist viel zu denken geben.
Den Moment des unerwarteten sich Heraus-Bildens erkennen und mit der Feder tragen.
Schattierungen und Übergänge sind mein Arbeitsfeld, ein Gefühl Entwickeln für die Leichtigkeit und Beweglichkeit der Begriffswelt, die zwischen Bedeutungsentzug und Bedeutungsaufladung spannend bleibt.
Einer denkt und ein anderer hat etwas davon. Was denkst du eigentlich, wenn du ließt? Die Zugänglichkeit zur Codierung der Welt erleichtern und Zusammenhänge dekonstruieren machen aufmerksam auf die Lücke. Dazu kommt die tägliche Übung einer kritischen Haltung. Der Versuch Kultur zu tragen und neues mit einzuschließen. In andere Welten hineinversetzen können, und das nicht nur sprachlich, aber ohne Geschichte keine Handlung. Sichtbarmachen der Selbstverständlichkeit, weitere Arbeit am Begriff, die Macht der sprachlichen Äußerungen erkennen, das Hinterfragen der Ordnung, darin Lücken finden und schreien. Don’t work – cry, meine Damen und Herren und Poesie und Theorie vereinen. Es gibt nicht absolutes, aber Zeugen der Momentaufnahme. #Praxis

2. Wer dich kennenlernen will muss wissen, dass ich …
Mein Tempo gehe, den Menschen offen begegne und dem folge, was mich begeistert. Gäbe es die letzte Minute nicht, würde nichts fertig werden. Oh da steht ein Klavier, the jam is on!
Assoziatives Denken und Blicke für Details oder das Hören der Musik dieser Welt bestimmen mein Schreiben. Ich bin ein Träumer und Tänzer, schlafe gerne aus, frühstücke aber rational oder französisch. Ich bin etwas verpeilt und irgendwo auch Minimalist. #nichtvor10. Ich bin ein empathischer Mensch. Ich trage meine Sneakers offen. Läuft irgendwo Musik, habe ich leider nur noch ein Ohr um dem Rest der Welt zuzuhören. Ach ja und klassische Klaviermusik oder Hip Hop – ich mache beides. Sie sollten „poetisch Denken“ unbedingt einmal probieren.

3. Welche Götter verehrst du?
Ich finde den Begriff “Götter” in diesem Zusammenhang problematisch. Natürlich bin ich auch Leser und sample Ideen und Schreibstile mit eigenen Gefühlen. Da stehen Dichter, Musiker, Philosophen, Freunde. Das würde ich mit “folgen” einer ideellen Welt oder das Aufgreifen eines gedanklichen sowie sprachlichen Flows beschreiben.
Einige davon sind Rainald Goetz, Monika Rinck, Roland Barthes, Wittgenstein, Hannah Arendt, 2Pac, Aretha Franklin, Ray Charles, James Brown, Rilke, Hoffmannsthal, Megaloh, Amewu, Chopin, Schubert, mein Klavierlehrer und viele inspirierende Menschen aus meinem Freundeskreis (Sie wissen Bescheid) und zu guter Letzt, meine Stadt der Ronantik: Wien.

4. Was tust du, um dein Werk bekannt zu machen?
(Lesungen, Poetry-Slam, Veröffentlichen in Zeitschriften, Büchern, Internet usw.)
Lyrik wird heutzutage unterschätzt. Poetryslam ist für mich zunächst die Möglichkeit eine Öffentlichkeit herzustellen und der Lyrik ein Label zu geben, das einem lyrischen Schreiben nicht gerecht wird, aber sich in den Vorstellungen eines populären Begriffes fassen lässt.
Nebenbei arbeite ich mit Fotografie und meinen Texten mit kleinen Collagen aus denen ich kleine 12seitige A5-Broschüren erstelle, um der Lyrik einen Ausdruck und eine Form zu geben, die ich immer mal wieder ein paar Freunden vorstelle.

5. Und nun, zeige dich!
(Mit bis zu zehn charakteristischen Werken, die du uns vorstellen magst. Mit einem Bild von dir? )

 

Stadt(er)leben (Ostendbrücke) Pt.1

Stadtleben, Stadtgeräusche, Stadtgänger
sind laufend am Fensterlauschen,
wo sich tagsüber Blicke tauschen, abends
gehen Sie in die Ohren mit dem Lärm von heute.
Ein Zug fährt vorbei auf der Brücke am Ostend
Die Skyline trägt wolkenmühelos
die Architektur ihrer Heimat.
Der Kopf beschwert, dieser Platz kennt
die Ruhe wie das Rauschen,
das Reisen der Reden,
wenn der Blick wieder einmal gegen Westen rennt:
Lehne du am Brückengeländer und ich stürze mich rein in die Leute
auf und ab, Stimmen, Menschen, Länder, Begegnungskultur.
Bergerstraßenhupen schallt über Bornheim Mitte hinaus
und bringt niemanden aus, aber auch niemandem die Ruhe.
Das Uhrtürmchen steht im Duft von Wacker
Stadtgeräusche der Menschen und Massen,
drücken das Glück in die Seiten und Gassen.
hektisch klingen Schritte in der Schrift gelassen.
Die Sicht vom Lohrberg aus, der auch Weinreben kennt,
die Hanauerlandstraße, eine Straße, die Zeilen füllt
und der Fernsehturm steht stumm in der Gegend herum
wer geht mehr auf Sendung?
neben der Unfallklinik, Rauch steigt aus dem Schornstein in den
Skylineblick, den Ich auf die Ostendbrücke schicke
und ein Zugesrauschen rast durchs Ohr,
die Perspektive ist bekannt, Fotoapperatengeklicke
zu den orientalischen Rhythmen klingend
aus der Shishabar an der Straßenecke,
ein Benz parkt im Halteverbot des Abendrots,
auch nachts kreuzen die Blicke, beinahe ampellos.
Sie sitzt auf dem Geländer und sucht ihr Glück
genießt den Abendblick im Auge, wirft den Kopf
mit den Gedanken von heute Morgen in den Nacken zurück.
Haare wehen vom Fernsehturm gesehen
Stadt erleben, Frankfurt das wars von heute
wir sehen Morgen weiter, weil wir in deine Seiten Blicke streuten.
Sie am Strand (November, 2015)

Sah Sie im Strand entlang spazieren
schweigend Gedanken im warmen Sand verlieren
auf der Suche nach einem vergrabenen Wortschatz
auf der Suche — viele Worte haben im Schweigen Platz
denkt sie auf ihrem Weg zum Steg
während ihr keine Brise des Meeres entgeht
Ihr Haar fordert die Wogen des Meeres heraus
wer die schöneren hat.

Sah Sie in der Stadt zwischen Einkaufshäusern
Zeilen zeigend im Schweigen verweilen
auf der Suche nach einem verkauften Wort, dass
verloren geglaubt im Schweigen einen Platz gefunden hat.
Weiß sie auf ihrem Weg zum Kaffee
während ihr kein Blick des Menschenmeeres entgeht.
Ihre Augen fordern die der Stadt ein
wer Sie mehr schaut.
Blauer Mantel im Winter (3.12.+10.12.2017) (Adina)
Smalltalkin‘ all that Jazz
Das waren sie wieder,
eingehüllt, die Worte
in das blaue Wortgewandt,
kein Mantel des Schweigens
einer des in Erinnerung auch bleibens.
Bleibens kurz stehn, gnäd‘ge Dame
Und Morgen was mit Lettern?
Nächte voller Sternenstaub auf Fensterbrettern vor mir verteilt
Menschen stehen und schauen gespannt
stapeln Stühle für Erkenntnis, um aufs Dach der Welt zu klettern
dabei ist es kleiner Stein aus Sinn schon in der Hand beschriebenes Blatt,
Wir sind soo Herbst und blättern.
Weiter. Winter. Flocke sich dazu aufs Fensterbrett gesellt,
tritt herein mit stöberndem Blick,
die Stühlen waren nicht gestapelt, sondern für dich gestellt.
Nicht immer hoch hinaus, der Boden verleiht uns guten Halt.
Blauer Mantel hängt der Garderobe wie Avantgarde
Flocke fällt angekommen im Wortgetobe
Weite, Winter, Welt. Drinnen
blauer Mantel, Schach, Dame im Gardé
draußen Textgeschippe und Schneeschreiben
im Atem der Welt tanzen die Flocken
von oben nach unten.
Im Heben und Senken zum Rauschen der Stadt
eine lange Reise bis auch nur eine ihren Platz gefunden hat.
Kurze Momente der Schwerelosigkeit, alleinige Flocke
wäre bloß orientierungslos und würde eine von vielen Reisenden sein,
um einen Platz in der Welt zu finden. Und wenn eine schmilzt,
dann vor Liebe zum Winter für das weiß der lebendigen Seelen
– gedämpftes Schneestapfen – der Ton.
Ganz umhüllt der Mantel vom Schweigen
der Stadt im Atem hin und heriges Treiben,
auf und ab. Stöbern und Warten
Unter blauem Mantel des Himmels klarten
wir auch auf.

4 Gedanken zu „Montagslyriker Runde 5–der zungenfertige Sprachkrieger

  1. Große Worte. Etwas lang für meinen Geschmack. Nichsdestrotz sollten wir uns mal treffen. Eventuell Weihnachtsmarkt in Dingens. Ich möchte dich gerne für mein Digitalmagazin interviewen. Und ich benötige Hilfe.

    Chris.

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