Schreibatelier Mia- Lesson 4: Erzählperspektive – der personale Erzähler

Ich begrüße euch am heutigen Freitag in meinem Schreibatelier Mia:-)


Heute geht es hier weiter mit den Erzählperspektiven und am heutigen Freitag befassen wir uns etwas ausführlicher mit dem personalen Erzähler.
Die personale Erzählperspektive ist die jüngste der vier Erzählperspektiven.

 
Wie können wir uns den personalen Erzähler vorstellen?
Wir können ihn uns so vorstellen, als hätte er eine Kamera auf dem Kopf, durch die der Leser das Geschehen sieht. Diese Kamera kann auch in die Gedankenwelt des Trägers schauen. Was ihn vom auktorialen Erzähler unterscheidet, den wir letzte Woche besprochen haben, ist die Tatsache, dass dieser Erzähler auch Teil des Geschehens ist. Die Geschichte wird aus der Sicht einer Figur erzählt, wobei sich der Erzähler allerdings nicht direkt in die Figur hineinversetzt. Das unterscheidet diesen Erzähler von der Ich-Form, die wir auch noch bearbeiten werden. Der personale Erzähler begrenzt sich perspektivisch auf eine Figur. Diese Figur, aus deren Sicht erzählt wird, wird auch Reflektorfigur genannt. Es ist so, als hätte sie einen Spiegel in der Hand, mit dem sie dem Leser das Geschehen und alle Gedanken und Gefühle widerspiegelt. Die jeweilige Figur wird beim Namen genannt und als ER/SIE bezeichnet.

 

Der personale Erzähler und seine Eigenschaften:
Wir sind beschränkt auf eine Figur, aus deren Sicht wir die Geschichte erzählen. Wir können hierbei nur mitteilen, was diese Figur erlebt, denkt, sieht, fühlt, wahrnimmt, hört….Wir sind hierbei nicht in der Lage in die Köpfe von anderen Figuren zu schauen. Auf diese Außenfiguren besteht also auch nur eine Außensicht. Lediglich spekulieren ist erlaubt, aber das wahre Wissen über die Gefühle und Gedanken von anderen Figuren bleibt uns verborgen.

 

Oft wird bei dieser Erzählperspektive auf die erlebte Rede und den inneren Monolog zurückgegriffen. Der Grund dafür ist der, dass so die Gefühls- und Gedankenwelt der Figur, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, besser vermittelt werden kann.

 

Der personale Erzähler und seine Wirkung und Verwendung:
Dadurch, dass der personale Erzähler sich so stark auf das Erleben, Wissen, Fühlen, Denken einer einzelnen Figur beschränkt, tritt er in den Hintergrund und der Leser nimmt ihn nur sehr bedingt wahr. Zudem wertet und kommentiert dieser Erzähler nicht, was diesen Effekt nochmal unterstützt. Auch die Verwendung der erlebten Rede oder des inneren Monologs lassen den Erzähler stark verblassen.
Gleichzeitig führt die Beschränkung der Erzählperspektive dazu, dass sich der Leser gut mit der Person identifizieren und mitfühlen kann. Es ensteht eine Bindung zwischen Leser und Figur, wobei eine Rest-Distanz erhalten bleibt, da der Erzähler über die Figur, aus deren Sicht erzählt wird, als ER/SIE spricht.
Ein im personalen Erzählstil verfasster Text wirkt auf den Leser immer auch subjektiv. Das liegt daran, dass das gesamte Geschehen nur aus der Sicht einer Figur dargelegt wird. Ob die Figur die richtigen Schlüsse zieht oder die Wahrnehmungen ungetrübt sind, erfährt der Leser nicht oder erst zu einem bestimmten Zeitpunkt. Der Erzähler ist also nicht so »verlässlich« wie etwa der auktoriale Erzähler.

 

Verwendung findet dieser Erzähler häufig in Texten, in welchen es um ein Schicksal des Einzelnen geht. Häufig wird auch aus der Sicht eines Außenseiters berichtet. 

 

Die Nachteile dieser Perspektive sind oft die Monotonie. Hunderte von Seiten Fließtext aus einer Sicht, können Leser auch schnell langweilen. Zudem ist es bei dieser Perspektive schwierig dem Leser jedes wichtige Hintergrundwissen mitzuteilen.

 

Personaler Erzähler und Beispiel:
Der Prozess (Franz Kafka)
„K. wartete noch ein Weilchen, sah von seinem Kopfkissen aus die alte Frau, die ihm gegenüber wohnte und die ihn mit einer an ihr ganz ungewöhnlichen Neugierde beobachtete, dann aber, gleichzeitig befremdet und hungrig, läutete er. Sofort klopfte es und ein Mann, den er in dieser Wohnung noch niemals gesehen hatte, trat ein. Er war schlank und doch fest gebaut, er trug ein anliegendes schwarzes Kleid, das, ähnlich den Reiseanzügen, mit verschiedenen Falten, Taschen, Schnallen, Knöpfen und einem Gürtel versehen war und infolgedessen, ohne daß man sich darüber klar wurde, wozu es dienen sollte, besonders praktisch erschien.“

 

Fingerübungen:
Hierbei üben wir an einem Beispiel, welches wir bereits kennen und zwar an dem Beispiel, welches ich letzte Woche angeführt habe, als es um den auktorialen Erzähler ging:

Schreibe eine kurze Passage aus der Sicht des auktorialen Erzählers über folgende Szene:
Ein kleiner Junge bewirft zwei Katzen mit Steinen. Plötzlich kommt seine Mutter um die Ecke und fragt ihn, was er macht. Der kleine Junge antwortet: Ich schaue nur den Katzen beim Spielen zu.
Beruhigt geht die Mutter wieder davon.

 

Heute formen wir diese kurze Passage um und schreiben sie aus der Sicht des personalen Erzählers. Wir befinden uns bei dem kleinen Jungen und erzählen aus seiner Sicht! Bitte bedenkt, dass wir beim personalen Erzähler sind und nicht beim Ich-Erzähler. Es geht also um ein ER!

 

Ich wünsche euch viel Spaß beim Ausprobieren und bin bei Fragen gerne zu kontaktieren:-)
Ich hoffe, dass wir uns nächste Woche erneut lesen, wenn es dann weitergeht mit den Erzählperspektiven:-)

6 Gedanken zu „Schreibatelier Mia- Lesson 4: Erzählperspektive – der personale Erzähler

  1. […] Er begriff, dass die Steine den Katzen weh tu könnten, seine Mutter hatte ihn zu oft ermahnt, heute kann er nicht anders. Er wusste es nichts von Tieren. Seine Mutter hatte ihn nie Katzen streicheln lassen. Katzen sind schmutzig. Für ihn waren sie sie nur Dinge, um auszuprobieren, was geschieht, wenn man jemandem wehtut. Er sah seine Mutter kommen, die ermahnend nichts sah, was ihn betraf. Wie immer redete er sein Tun spielerisch unbedeutend ins Nichts. So unbedeutend, wie alle ihn sahen. Als sie sich abwendete, spielte er beruhigt weiter. […] — ist das so richtig?

      1. Ich dachte, man sollte nur diese eine Passage umformen. Dennoch eine interessante Situation. Hmm… – das ganze nochmal aus Sicht der Mutter und dann zusammengeführt, vielleicht aus der Sicht einer Katze. Zerbricht das dann die Erzählweise? Die Perspektive sowieso…

      2. Aus der Sicht der Mutter oder der Katze wäre immer noch der personale Erzähler😊Also soweit richtig 👍Es sollte nur ein längerer Text sein, damit man ein richtiges Feedback geben kann😊

  2. Liebe Mia,

    ich finde es wunderbar, dass Du dieses Schreibatelier machst. Momentan rennt mir allerdings die Zeit davon. Ich verfolge es aber weiterhin und hoffe, im Januar dann mich wieder mehr auf das Schreiben konzentrieren zu können.

    lg Phoebe

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