Montagslyriker 10: Juan Tomas Lauga_”Leinwand-Geflüster”

Hallo an alle kreativen Seelen und Freunde der Künste:) 

Da ist er ist wieder, der Montag. Und auch heute gibt es einen neuen Montagshelden, den euch die Montagslyriker vorstellen.

Mein werter Kollege Matthias Breimann und ich stehen bereit, denn es ist Zeit. 

Pünktlich um sieben – so steht es geschrieben!

Auf den heutigen Abend habe ich mich sehr gefreut. Und ich freue mich immer noch. Denn unser heutiger Montagsheld hat ein ganz besonderes Talent mit Worten zu arbeiten. Wer sich in seine Texte einliest, wird schnell merken, dass er in die E-Literatur driftet. So hat er das Schreiben auch nie gesucht. Es hat ihn gefunden. So läuft das auch in der Liebe ab. Und dann funktioniert das meistens richtig gut. So läuft das auch bei ihm mit dem Schreiben. Und zur Liebe gehören Menschen. Diese findet er ganz besonders faszinierend und wählt sie sich zum Thema. Er schreibt sowohl Lyrik als auch Prosa und den längeren Texten werden wir uns auch bei den Montagslyrikern widmen. Heute darf er uns ein wenig was von sich erzählen und eine wenig Geschriebenes zeigen und nächste Woche kriegt er dann noch mal ein wenig Lesezeit. Das freut mich sehr, denn seine Worte saugen einen ein. Er versteht es, eine Sekunde über Sätze und Passagen hinweg auszudehnen. Und langweilig wird es bei ihm nie. Ein großartiger Schreiber. Hab ich das schon erwähnt? Und bevor ich noch weiter eure kostbare Zeit in Anspruch nehme, legen wir los und lassen ihn selbst zu Wort kommen. 

Herzlich willkommen bei den Montagslyrikern:

Juan Tomas Lauga

Juan Tomas Lauga – Instagram

 

  1. Nenne den Schmerz beim Namen. Wer ist der Dämon, der dich zum Schreiben verführte?

Ich kann gar nicht so genau sagen, was mich zum Schreiben gebracht hat. Irgendwann in der späten Schulzeit habe ich damit angefangen. In der Universität habe ich es weitergeführt, um mich vom Pauken abzuhalten und jetzt schreibe ich einfach. Mich interessiert der Mensch sehr. Seine Vielseitigkeit und Widersprüche, die Gedanken, die Menschen haben und manchmal äußern und die Taten, die oftmals doch in eine völlig andere Richtung gehen.

 

  1. Wer dich kennenlernen will, muss wissen, dass du …

Eine Freundin hat mir mal gesagt, sie würde sich wie eine Leinwand fühlen, auf der ich male, wenn wir uns unterhalten.

3. Welche Götter verehrst du?

Ich lese gerne Literatur aus dem 20. Jahrhundert. Hemingway hat es mir dabei sehr angetan. Wen ich ansonsten empfehle, ist Iwan Turgenjew, ein russischer Romantiker aus dem 19. Jahrhundert. Sein Stil und die Geschichten, die er geschrieben hat, haben mich tief beeindruckt.

 

4. Was tust du, um dein Werk bekannt zu machen?

Bisher habe ich lediglich Gedichte von mir auf meinem Instagram-Account veröffentlicht. Ansonsten gibt es noch keine Werke von mir zu lesen. Hier bei den Montagslyrikern kann man aber ein paar Auszüge und Texte lesen, die ich bisher verfasst habe.

 

Und nun, zeige dich!

 

Roter Horizont

„Bist du da?“, fragt sie.

Ich lausche dem Flüstern des Sees, der seine Wellen sanft an das Ufer schickt. Zartes Rot, das die Touristen hier bewundern, reflektiert von den Bergen um mich herum. Ich habe die matte Ausdruckslosigkeit lieber. Wenn die Sonne hinter den größten Gipfeln versunken ist und das Licht zugunsten der Stille den Raum hergibt. Über dem dunkelblauen Wasser sehe ich einen Felsensittich, der von einem Falken gejagt wird. Sie fliegen auf mich zu. Wie ein komplizierter, aber einstudierter Tanz in dem einer führt und der andere folgt, erfüllen beide ihre von der Natur vorgesehene Rolle. Ich beobachte das tödliche Spiel. Für Außenstehende ist diese Jagd schön anzuschauen. „Der kleine Vogel muss Todesangst haben“, denke ich. Der Falke ist nun über dem Sittich. Seine Krallen greifen nach der Beute und erwischen sie. Einen zufriedenen Ruf später landet der Raubvogel unweit von mir und verspeist seinen Fang. Ihr ist das Ganze nicht weiter aufgefallen. Ich spüre ihren forschenden Blick von der Seite.

„Es ist so ein farbenfroher Abend heute“, sagt sie.

Ich fühle die Steine unter meinen Füßen. Der argentinische Sommer ist heiß, auch in den Bergen. Wie viele Leben sie schon sahen? Wie viele Falken haben wohl ihre Beute auf Ihnen erlegt? Ich bewundere den stoischen Frieden, den diese glattgeschliffenen Felsen ausstrahlen. Man sollte meinen, dass sie ewig sind und unveränderbar. Doch wenn ich genauer hinschaue, fallen mir Risse an ihnen auf. Ich sehe dem Wasser zu, das an den Felsen entlangstreicht und ihnen langsam, aber unabwendbar eine neue Form verleiht. Das Wasser ist in Bewegung. Der Stein wird nichts dagegen tun.

„Ja, das ist es“, sage ich, „ein farbenfroher Abend“

Ich lasse meinen Blick über den See schweifen. Etwas zu weit entfernt, um dorthin zu schwimmen, liegt eine kleine Insel. Ich habe schon ein paar Mal versucht sie zu erreichen, aber bisher schaffte ich es nicht. Das Wasser ist zu kalt. Der See ist einer der tiefsten in Südamerika und wird hauptsächlich von Gletscherwasser gespeist, das aus den höheren Regionen der Anden in den See mündet. Ohne entsprechende Vorbereitung unterkühlt man sehr schnell und ertrinkt. Davor fürchte ich mich. Davor und vor der Tiefe. Wenn ich tauche und Unterwasser die Augen öffne, erschrecke ich vor dem Abgrund, der sich vor mir eröffnet.

„Woran denkst du gerade?“ fragt sie und legt eine Hand auf meinen Oberschenkel.

„An nichts“, sage ich. 

„Du kannst nicht an nichts denken. Niemand kann das.“

Es ist gut hier. Die Menschen sind freundlich. Offen gegenüber Fremden. Man spürt, dass die Stadt im Aufbruch ist, wächst und die Leute Lust auf die Zukunft haben. Es gibt eine Menge Cafés und Cervecerias, in denen man Menschen aus der ganzen Welt begegnen kann. Ich meide diese Orte. Schon am ersten Tag nach meiner Ankunft hat mich der See in seinen Bann gezogen. Die Wälder, in denen ich auf meinen Wanderungen Zuflucht finde und die Gipfel, die mich über meinen eigenen Horizont hinausschauen lassen, ziehen mich an. Ich gehe nur selten unter Leute, ganz gleich wie warm sie mich willkommen heißen. Manchmal bilde ich mir ein, dass ich es genieße mit dem Boot auf den See rauszufahren und in einer der vielen Buchten Forellen zu angeln, zu rauchen und in der Dämmerung Negroni zu trinken. Aber ich kann nicht angeln. 

„Was machst du?“, frage ich sie.

„Ich bin bei dir“ 

„Warum bist du hier?“, frage ich. 

„Ich bin aus demselben Grund hier wie du“, sagt sie, „wie alle von uns“

Eine leichte Brise zieht auf. Vom See herkommend weht sie über mein Gesicht. Sie trägt einen Geruch mit sich. Rauch. Als ich ankam, haben mir einige Leute von ihren Problemen erzählt. Das größte Problem der Vergangenheit sind die Waldbrände gewesen. Dieses Jahr sind sie lange ausgeblieben. Erste Hoffnungen hatten sich breit gemacht, dass die Maßnahmen dagegen Früchte tragen, dass man sich dieses Jahr keine Sorgen machen müsse. Vor ein paar Tagen sind sie ausgebrochen. Es halten sich Gerüchte, dass es Brandstiftung gewesen sei. Ich bin mir nicht sicher. Wahrscheinlich war es ein unvorsichtiger Wanderer, der eine Zigarette gedankenlos ins Unterholz geschnipst hat. Die Brände sind noch weit weg. Das macht den Einheimischen Mut. Sie muntern sich gegenseitig auf. 

„Es ist ja nur ein kleiner Brand.“

„Lokal begrenzt. Kontrollierbar.“

„Ich bin froh, dass er meine Estancia nicht erreicht“, sagen sie. 

Doch man kann den Rauch bereits riechen. Wenn man in den letzten Tagen in den Himmel geschaut hat, konnte einem auffallen, dass der Himmel zwar blau ist, aber nicht leuchtet. Man sieht die Flammen nicht. Das beruhigt die Leute hier. Ich finde das ironisch. 

 

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