Donald Antrim-Die Hundert Brüder

Donald Antrims Werk „ Die Hundert Brüder“ beschreibt die alljährliche Zusammenführung von 99 Brüdern (der Hunderste kann mal wieder nicht)in der alten Bibliothek ihres Vaters, um sich mit dem Verbleib dessen Urne auseinanderzusetzen.

Vom ältesten Hiram, über Doug, den Erzähler sind alle anwesend. Nur George ist, wie alljährlich, verhindert. Bei einem gemeinsamen Abendessen soll das Abhandenkommen der väterlichen Überreste diskutiert werden. Im Verlauf gerät dieses Vorhaben in weite Ferne.

Hochkommende Traumata, aufkommende Erinnerungen und unterdrückte Gefühle bahnen sich ihren Weg und sorgen für Reibereien, Zwist, Wortgefechte und Gewaltaktionen. Immermehr Brüder liegen im Laufe des Abends nach mysteriösen oder skurrillen Unfällen oder Prügeleien am Boden.

Doug, als Erzähler,wird auch zunehmends unsympathischer. Am Anfang noch sehr besorgt um seine Brüder, beginnt er jedoch sehr bald schon dem Alkohol zuzusagen und fängt an seine obsessiv betriebenen genealogischen Forschungsergebnisse, die er über die Jahre bezüglich seiner Verwandtschaft betrieben hat, ausführlichst zu erläutern. Dis dato haben diese ihn zu einem weit entfernten, gottähnlichen König geführt, mit dem er sich im Laufe des Abends mehr und mehr identifiziert.

Die wohlhabende Männergesellschaft steht im Kontrast zu der sich, hinter den Gartenmauern befindenden, gesellschaftlichen Unterschicht. Menschen ohne Obdacht,ohne Lebensmittel, die sich die Hände am Feuer wärmen. Antrim zeigt hier selbsterschaffene Probleme gegenüber wahrem Leid und Existenzangst.

Jedoch wirken auch die Brüder leicht depressiv und traumatisiert. Viele sind drogenabhängig oder alkoholkrank. Ein paar sind geistesgestört oder sonst in irgendeiner Form psychisch oder physisch lädiert. Fast schon symbolisch dazu benutzt Antrim als Aufenthaltsort die zerfallende, dem Untergang geweihte Bibliothek. Der Putz bröckelt, die Fenster sind teilweise kaputt, das Dach ist undicht und es ist nur eine Frage der Zeit bis alles zusammenbricht und die Schätze der Literatur, die sich darin befinden unter Trümmern begräbt. Auch hier wir Antrims Gesellschaftskritik deutlich.

Nichtsdestotrotz wirft das Werk viele Fragen auf:

Ein Vater hat 100 Söhne und nicht mit einem Satz werden Frauen oder Mütter erwähnt?

99 Männer in einer Bibliothek, die sich so gut kennen, als wären sie von klein an, Zimmer an Zimmer miteinander aufgewachsen?

Obwohl das Werk sehr unterhaltsam ist, fordert es. Lange Sätze, viel Fremdvokabular. Stellenweise muss sich der Leser doch zum Weiterlesen zwingen. Nebenbei gelesen ist es sicher nicht. Für Freunde von skurrilen Familiengeschichten und für Solche, die sich für das Thema Bildungs-oder Kulturverfall interessieren, sicher ein Spaß.

(erschienen: 16.Juli 2016, FZ)

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