Schreibatelier Mia- Lesson 6: Erzählperspektive – der Ich-Erzähler

Ich begrüße euch am heutigen Freitag in meinem Schreibatelier Mia:-)
Heute schließen wir das Thema Erzählperspektiven ab und zwar mit der Perspektive, die wir noch nicht besprochen haben, der Ich-Erzählperspektive.
Auch wenn es verführerisch ist, so darf der Ich-Erzähler nicht mit dem Autor gleichgesetzt werden. Der Ich-Erzähler ist auch nur ein Erzähler, der uns Lesern die Geschichte erzählt.
Die Ausnahmen sind nur eindeutig autobiographische Texte, die allerdings ebenfalls Ausschmückungen, sowie Unter- und Übertreibungen beinhalten. Dahin kommen wir allerdings noch.

 
Es gibt zwei Formen des Ich-Erzählers:
1. der personale Ich-Erzähler
2. der auktoriale Ich-Erzähler

 

 

Die Ich-Erzählperspektive wird deswegen auch nicht als eigener Erzählstil betrachtet, sondern ist lediglich nur eine Unterform vom auktorialen und personalen Erzähler. Es gibt hierbei große Unterschiede!

 

Der Ich-Erzähler und seine Eigenschaften:
Der Ich-Erzähler erzählt die Geschichte aus der Ich-Perspektive und in der Ich-Form. Das Personalpronomen ICH steht hier im Vordergrund.

 

Personaler und auktorialer Ich-Erzähler:
1. der personale Ich-Erzähler:
Der personale Ich-Erzähler ähnelt der personalen Erzählperspektive. Der Unterschied liegt darin, dass der Ich-Erzähler hier selbst erzählt und nur von sich und aus seiner Sicht heraus die Geschichte wiedergibt.
Wie wir bereits wissen, erzählt der personale Erzähler eine Geschichte immer aus der Sicht von ER oder SIE.
Sowohl als auch ist diese Perspektive hierbei sehr begrenzt.
Wir erfahren nur, was der Ich-Erzähler sieht, hört, weiß, denkt und fühlt.
Was andere Figuren denken und fühlen etc. weiß dieser Erzähler nicht. Das kann hierbei auch nur durch wörtliche Rede und/oder Mutmaßungen vermittelt werden.

 

2. der auktoriale Ich-Erzähler:
Der auktoriale Ich-Erzähler trennt die Zeit, in der er erzählt, von der Zeit, über die erzählt wird. Hier kann er ein wenig mehr in die Welt der auktorialen Erzählperspektive eintauchen.
Wenn er über Geschehnisse aus der Vergangenheit berichtet, dann weiß er auch meistens darüber Bescheid, was sich in der Zukunft abspielen wird. Er kann dabei Vorgriffe vornehmen und Andeutungen machen. Anders als beim personalen Ich-Erzähler kann er so auch indirekt in andere Figuren hineinschauen. Er weiß eben, was war und gegebenenfalls auch, was sein wird. Dennoch gibt es hierbei auch Grenzen. Ganz so einfach ist es nicht, denn er hat nur ein indirektes Wissen über die Gedanken und Gefühle der anderen Figuren und diese basieren oftmals auch nur auf Vermutungen oder Schlussfolgerungen. Er ist nicht allwissend, aber wissender als der personale Erzähler.
Der auktoriale Ich-Erzähler kann den Leser auch direkt ansprechen, da er eben mit einem zeitlichen Abstand erzählt.

 

Eckdaten:
Der personale Ich-Erzähler wird auch als erlebendes Ich bezeichnet.
Der auktoriale Ich-Erzähler wird auch als erzählendes Ich bezeichnet.

 
Der Ich-Erzähler und seine Verwendung und Wirkung:
Stets wirkt diese Perspektive nahe und ehrlich. Dieser Erzähler ist dem Leser sehr nahe. Nimmt ihn mit in seine Welt, zu seinen Gedanken und Gefühlen. Leser und Erzähler erleben die Geschichte gemeinsam. Nichtsdestotrotz ist diese Perspektive immer auch subjektiv und liefert immer nur eine Sicht und einen Blickwinkel auf die Geschichte und alle Geschehnisse.

 

Oft erscheint diese Perspektive leicht. Es wird oftmals vergessen, dass es sich hierbei um zwei verschiedene Formen einer Perspektive handelt, die letztlich nicht einmal eine richtige ist.
Oft verlieren wir uns als Schreiber schnell in dieser Perspektive und legen uns auch gar nicht auf eine Form fest.
Notgedrungen ist das auch nicht so wichtig, allerdings sollten wir beim Schreiben darauf achten, dass wir nicht zu berichtartig schreiben und auch nicht zu kritisch-subjektiv.

 

Der Ich-Erzähler im Beispiel:
Thomas Mann: Das Eisenbahnunglück
„Etwas erzählen? Aber ich weiß nichts. Gut, also ich werde etwas erzählen. Einmal, es ist schon zwei Jahre her, habe ich ein Eisenbahnunglück mitgemacht – alle Einzelheiten stehen mir klar vor Augen. Es war keines vom ersten Range, keine allgemeine Harmonika mit »unkenntlichen Massen« und so weiter, das nicht. Aber es war doch ein ganz richtiges Eisenbahnunglück mit Zubehör und obendrein zu nächtlicher Stunde. Nicht jeder hat das erlebt, und darum will ich es zum besten geben.“

 
Übungen:

1. Erzähler deinen letzten Traum in allen Einzelheiten und gebe deine Gefühle und Gedanken detailliert wieder!
2. Erzähler eine kurze Geschichte aus deinem Leben von vor fünf Jahren mit dem Hinblick auf heute.

 

Ich wünsche euch viel Spaß und stehe gerne für eure Fragen bereit.

3 Gedanken zu „Schreibatelier Mia- Lesson 6: Erzählperspektive – der Ich-Erzähler

  1. Liebe Mia, ich habe mir darüber noch nie Gedanken gemacht, immer drauf los geschrieben 😉 Es ist sehr interessant, wie fein das rein wissenschaftlich gegliedert ist. Meine Kurzgeschichten beim Wassertiger, die meist schon etwas mit von mir Erlebten zu tun haben, sind dem zufolge ein Mix aus personale und auktorale Ich-Erzählung.

    Danke für deine Ausführungen & Grüße !

    1. Ein paar Kommentare gingen irgendwie unter. Das tut mir leid. Ich versuche das heute Abend nachzuholen:-) Schön, dass du den Beitrag gelesen hast und es ist wirklich so, man macht sich nicht so viele Gedanken darüber, aber letztlich muss man das auch gar nicht. Das ist halt Wissenschaft:-)
      Eine gute Nacht:-)

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