Boötes Void: Singularity (Review: Marcus)

Lasst uns einen Blick auf Black Metal werfen, insbesondere auf das Album “Singularity” von Boötes Void. Doch anstatt, dass ich spreche, überlasse ich das Marcus, der auf diesem Gebiet Experte ist. Er hat sich eingehend mit dem Album der Würzburger Band beschäftigt. Was er dazu zu sagen hat? Findet es selbst heraus.

Boötes Void: Singularity (Album)

Tracklist:

  1. Erkenntnis 
  2. Breathe 
  3. The Anguished’s Odyssey
  4. Ailment 
  5. Tachykardie 
  6. Toil Through The Seabed
  7. Woods Of Desolation 
  8. Euphoria

 

 

Es besagt eine Theorie, dass insbesondere Black Metal Albumcover, die überwiegend oder ausschließlich in Blautönen gehalten sind, quasi per se als Highlight in die Annalen eingehen werden. Beispiele gefällig: Dissection`s The Somberlain und Storm of the Light`s Bane, Emperor`s In the Nightside Eclipse oder Immortal`s At the Heart of Winter, um nur eine kleine und auf keinen Fall abgeschlossene Auflistung zu zeigen.

Insofern hat das Cover zu „Singularity“ mit seiner düsteren und kalt abweisenden Aura bereits gute Voraussetzungen geschaffen. Die Verpackung macht also schon einmal Appetit auf mehr.

So komme ich folglich zu der Umfeldbetrachtung und dem Inhalt des neuen Outputs der fünf Maskenträger aus Würzburg.

Seit 2019 zelebrieren Cygnus (Bass), Otis/Sagittarius (Drums), Botöes (Vocals), Corvus (Leadgit.) und Draktar (Rhythmgit.) unter dem Namen Boötes Void (einem gigantischen kosmischen Leerraum) dem klassischen, schnörkellosen Black Metal. Ich bleibe in meiner Betrachtung bei dieser allgemeinen Definition, denn, inwieweit sich die Anteile an Post Black, alter skandinavischer Schwarzwurzelszene, Melancholic- oder Athmospheric Gedönse etc. austarieren, bleibt jedem einzelnen Hörer zuletzt selbst überlassen.

Mit „Singularity“ veröffentlichen sie ihr zweites vollwertiges Album nach dem Vorgängerwerk C.O.L.D. und offenbaren dem Hörer mit 8 Songs, verteilt auf einer Spielzeit von knapp 42 Minuten, ihre Verarbeitungsprozesse menschlicher Wesens- und Verwesungsebenen. Thematisch wird hier das Rad des Black Metal zwar nicht neu erfunden, aber auch nicht unterwegs verloren.

Produktionstechnisch neigt sich das Gehörte schon in eine knarzige, kernige Ausrichtung. Es muss rumpeln, es darf rumpeln und es soll rumpeln. Aber das Gerumpel muss erkennbar sein. Bei „Singularity“ ist diese Ausgewogenheit trotz mancher dumpfen Kompressionsmomente gegeben.

Was bietet mir die Setlist von „Singularity“ an.

Als Opener fungiert das ätherische zweieinhalb Minuten Intro „Erkenntnis“. Die einzeln gezupften Gitarrenklänge wabern in einem atmosphärischen Nebelrauschen, Schreie durchziehen den leeren Raum. Eine Stimme erhebt sich…“Das Leben…“.

Ein klassischer Opener, der die Bedeutungsschwere des folgenden Stoffs untermalen soll. Ein wenig mehr Tiefgang und Drama (The Vision Bleak als meisterhaftes Beispiel für solche Sequenzen) hätte „Erkenntnis“ noch mehr veredelt. Ist trotzdem als „philosophischer“ Einstieg markant.

Schnörkellos nageln die Mannen mit „Breathe“ den ersten vollwertigen Nackenbrecher in die Menge. Was für eine brutal gute Gemengelage. Die Rhythmusabteilung haut ein dermaßen derbes Brett auf die Rille, dass die Leads und der artig abartige Röchelgesang ihre famose Leistung auf einer herausragenden Spielwiese abliefern können. Straight, hymnisch, kalt, herzerwärmend. Und als ob das noch nicht genug wäre, gibt es ab Minute 3:59 gute anderthalb Minuten eine Leadgitarre zu hören, deren Sehnsuchtstöne mich an einen Ghoul-Geiger an der italienischen Riviera zur Abendzeit denken lässt. Was für ein versteckter Zauber an dieser Stelle. Wahnsinnig intensiv.

Als Nächstes jagt „The Anguished’s Odyssey“ durch die Lautsprecher. Eine verdichtete Walze von dunkler und detailversessener Energie bricht über einen herein. Die Dynamik wechselt von absoluter Raserei zu stampfenden Prügelattacken, die Schlagzeugarbeit ist so präzise wie knüppelhart. Das ist wahrhaftig ein Abtauchen in die Ursuppe schwarzmetallischer Klangkunst und einfach nur geil zum Anhören. Der Sänger zelebriert die Geschichte über die Qualen und die Reise der Gequälten. Auch hier sind es die kleinen Details, die den Song noch weiterwachsen lassen, beispielhaft die Sprechgesangspassage sowie die darauffolgenden Zeilen in deutscher Sprache.

Ailment“ prescht ordentlich nach vorne los und drückt mit seinem monoton morbiden Grundgerüst über die gesamte Songlänge die Nägel in das Fleisch. Dieses Grundgefühl weicht auch nicht, wenn das Gaspedal zwischenzeitlich mal nicht ganz durchgedrückt wird. Die Leadgitarre sorgt mit ihrer Melodieführung für den atmosphärischen Schmelz und der Gesang begleitet einen als ständiger Mahner: Sei der Finsternis gewahr. „Ailment“ ist eine mehr als solide Nervensäge im besten zermalmenden Sinn.

Das anschließende „Tachykardie“ ist ein weiteres Monster, das einen packt und solange durchschüttelt, bis auch die letzten Nervenenden zittern. Mein bereits erwähnter „Ghoul-Geiger“ lässt sein Instrument zu einer infernalischen Melodie beginnen und der Rest der Bande öffnet die Tore. Der Schlagzeuger vermöbelt sein Equipment im Akkord, die Soundwand wirkt erdrückend und der Sänger erarbeitet sich ein weiteres Mal das Prädikat Jenseits von Gut und Böse. Mit diesem Song werden nochmals und sehr dezidiert die Dichte und die reichlich vorhandenen Qualitäten der Band dargeboten.

Mit dem folgenden „Toil Through The Seabed“ verschieben sich die Regler ein Stück, etwas weniger maximale Grundgeschwindigkeit, dafür ein erhöhter Melodieanteil der Leadgitarre und mit eingewobenen Bridges, die dem Zuhörer auch Zeit zum Erleben und Durchschnaufen lassen. Dieser Song ist genau an der richtigen Stelle. Pure Atmosphäre und trotzdem schwarz wie die dunkelste Nacht.

Woods of Desolation“ reiht sich ohne Umschweife in Kette von „Breathe“ sowie „Tachykardie“ ein und sie werden von mir jetzt als die ersten Anspiel- und Durchhörsongs deklariert. Alles, was ich zu den anderen beiden Liedern gesagt habe, gilt auch für „Woods of Desolation“ und es wird nahezu bis zur Perfektion weitergeführt. In der Summe vielleicht der beste Song des Albums.

Als letztes Lied auf „Singularity“ wird „Euphoria“ gespielt. Wie könnte solch ein Werk auch anders enden? Er wirkt in seiner Art und Weise tatsächlich fast positiv, ohne in einem Anfall von Freudenschreien herumzurennen. Vielleicht wollte die Band ihre wohlgesinnten Anhänger nicht an den zuvor gezeigten dunkelsten Momenten verrotten lassen. Das ist bedanken- und hörenswert.

Viel geschrieben, noch mehr genossen. Ein starkes Album von Boötes Void und ich bin sehr gespannt, wohin die Reise gehen wird. Da war noch die Sache mit dem blauen Albumcover…

 

Weitere Informationen zur Band Boötes Void findet ihr in den sozialen Netzwerken.

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