Hallo an euch:-)
Gestern haben mein werter Kollege Matthias Breimann und ich euch auf die 8. Runde der Montagslyriker eingestimmt und heute möchten wir gleich mal mit einem Special loslegen.
Als Opening dieser Runde lassen wir Olga Polikevic heute zu Wort kommen und zwar in Form einer ihrer Kurzgeschichten.
Olga ist mittlerweile ein Urgestein der Montagslyriker, denn sie ist seit der fünfte Runde regelmäßig literarisch oder lyrisch vertreten.
In der 5. Runde gehörte sie zu den Teilnehmern:
Olga Polikevic: die verschwiegene Direkte
Und sie hat uns auch mit ihrem Dreiteiler “Olgas Märchenstunde” literarisch unterhalten:
Olgas Märchenstunde Teil 1
Olgas Märchenstunde Teil 2
Olgas Märchenstunde Teil 3
Heute gibt es eine Kurzgeschichte von Olga, in der sie sich mit der digitalen Zukunft der Bücher beschäftigt:-)
Liebsten Dank an Olga Polikevic für dieses schöne Opening:-)
OLGA POLIKEVIC
Frankfurter Buchmesse im Jahr 2073
Wir schrieben das Jahr 2073 nach Christus und ich beschloss in dem Jahr die Frankfurter Buchmesse endlich mal seit Langem wieder zu besuchen. Meine Frau Martha blieb zuhause und ich, Ferdinand Friedrich, machte mich auf den Weg in die große deutsche Stadt Frankfurt am Main.
Meine Frau Martha und ich sind beide dieses Jahr 60 geworden und dank des einheitlich eingeführten Rentenalters von 60 Jahren für Männer und Frauen, sind wir jetzt beide offiziell Rentner und haben endlich Zeit das zu machen, was wir schon immer machen wollten.
Als wir noch jung waren, hat Martha Bücher geliebt und verschlang sie sozusagen. Ich habe sie auch lesend kennengelernt: sie war so in ein Buch vertieft, dass sie nichts um sich herum sah und hörte. Genau das hat mich an ihr fasziniert und zu ihr hingezogen. Und bis heute hat sich daran nichts geändert, nicht an meinen Gefühlen zu ihr und nicht an ihrer Liebe zu den Büchern.
Aber genau da liegt der wunde Punkt bei meiner Martha. Sie liebt Bücher, in der klassischen Aufmachung, aus Papier. Als die Digitalisierung sich in den Bereich Literatur/Bücher mehr und mehr in den Vordergrund drängte und die klassischen Bücher immer weniger nachgefragt und produziert wurden, ab da hat meine Martha die Welt nicht mehr verstanden. Auch heute noch bleibt sie bei ihrer Meinung und der Unverständlichkeit der ganzen Menschheit gegenüber, wenn es um dieses Thema geht. Aus diesem Grund wollte sie nicht zu der Frankfurter Buchmesse.
Ich beschloss, wenn ich schon nach Frankfurt ohne meine Frau verreiße, alles, was mich interessiert gleich mitanzusehen und zu besuchen. Von zuhause aus, buchte ich ein Zimmer für ein paar Tage in einem zentralliegenden Hotel. Zum Abschied versprach ich der Martha eine Postkarte zu schicken. Statt einer Antwort lächelte sie, wie nur sie lächeln kann und gab mir einen Kuss.
So setzte ich mich in den Zug Fulda/Frankfurt, den ich wohne in der wunderschönen Stadt Fulda, und genoss die Landschaft, an der ich vorbeifuhr bis direkt nach Frankfurt.
Kaum im Hotel angekommen, entschloss ich mich gleich zu der Buchmesse zu gehen und für Martha eine wunderschöne Karte auszusuchen. Ich hatte keine Eile und genoss die Atmosphäre und die Umgebung der Großstadt.
Die Frankfurter Buchmesse war nicht mehr das, was sie vor Jahren war, als ich sie das letzte Mal besucht hatte. Überall wimmelte es von Roboter, mit ihrer gefühllosen, immer gleichbleibenden- und wirkenden, gleichgültigen Stimme als Werber und Anbieter ihrer digitalen Ware. Menschen nur als Gäste und Besucher. Werbeslogan und Plakate, groß, farbenfroh und gleichzeitig durchsichtig tauchten aus dem Nichts in der Luft auf und verschwanden genau so plötzlich, wie sie auftauchten. Ständig flog irgendwas und schnitt die Luft durch, so dass mir mit der Zeit ganz schwindelig wurde. Meine Augen brannten, gegen die Schläfen pochte es. Ich ging von Stand zu Stand und sah lauter digitaler Sachen in verschiedenster Art und Weise präsentiert, aber keine Bücher…
„Und das soll eine BUCHMESSE sein?!“
Mit diesen bitteren Gedanken ging ich wahllos durch die Messe und je mehr ich sah, desto bitterer wurden meine Gedanken. Zusätzlich kam die Enttäuschung, dass ich keine einzige richtige Postkarte gefunden habe. Es war alles, aber wirklich alles digitalisiert.
„Keine einzige Postkarte!“, mein Entsetzen wuchs mit jeder Minute und schon bald wurde mir richtig schlecht. Ich bekam kaum noch Luft.
Ich rettete mich so schnell ich konnte raus an die frische Luft und erst als ich mich auf eine Bank setzte, beruhigte sich mein Puls wieder.
„So schlimm hab´ ich´s mir nicht vorgestellt“, murmelte ich ein paar Mal vor mich hin.
Anschließend machte ich einen Spaziergang, nachdem ich, wie in der Zeit verloren, eine Weile noch da saß. In verschiedenen Läden und Kiosken, an denen ich vorbeiging hielt ich Ausschau nach einer Postkarte. Vergebens… Keine einzige bekam ich zu Gesicht.
„Das kann doch nicht wahr sein!“
Ich verbarg mein Entsetzen nicht und einer der Verkäufer schüttelte den Kopf und lächelte mich mitfühlend an. Ich kam mir sehr alt, erbärmlich und erniedrigend vor.
Mit einem roten Kopf ging ich aus dem Laden und empört und wutgeladen in den Hotel rein. Ich musste nicht mal packen, mein Koffer stand noch nicht ausgepackt, nicht mal aufgemacht hab´ ich ihn. Ich checkte an der Rezeption aus und nahm den nächsten Zug Richtung Fulda.
Als Martha mich sah, schenkte sie mir wieder nur dieses Lächeln und hieß mich mit einem Kuss zuhause willkommen.
Liebe Mia, es ist mir, wie immer, eine große Ehre, meinen Beitrag beizusteuern.
Lieben Dank.
Es freut mich, dass du diese Runde eröffnest und auch mit einer so schönen Geschichte, die sehr aktuell ist, auch wenn sie in der Zukunft spielt🤗🙏