Soundcheck: Hey Julis!

Hey Julis!, das Progressive Pop Duo aus Kiel.

Das Duo vereint gekonnt Elemente aus Pop, Rock und Jazz in ihren einzigartigen Kompositionen, wobei sie Instrumente wie Saxophon, Rhodes, Ukulele und zweistimmigen Gesang geschickt einsetzen. Ihre einzigartigen Kompositionen zeichnen sich durch eine bemerkenswerte Originalität aus, die unsere Aufmerksamkeit geweckt hat. Wir haben das Duo zu einem Interview eingeladen, um mehr über ihre Hintergründe und Inspirationsquellen zu erfahren. Taucht mit uns ein in die faszinierende Welt von Hey Julis!, während sie uns Einblicke in ihre Musik und ihre künstlerische Vision gewähren.

 

So, zum warm werden – erzählt mir doch ein bisschen was über euren Sound. Was ist das Besondere daran und was sind eure Alleinstellungsmerkmale?

Lange haben wir uns den Kopf darüber zerbrochen, welche Genre-Bezeichnung zu uns passen könnte, da viele Genrebezeichnungen unseren Sound zwar ein bisschen, aber nie so richtig wiedergaben. Die Frage „was macht ihr für Musik?“ können wir schwer in einem griffigen Schlagwort beantworten. Wir machen Musik so, wie sie aus uns herauskommt, ohne besondere Einflüsse oder innere Zielsetzungen, einfach das, was wir toll finden, uns gerade beschäftigt und uns Spaß bringt – und das klingt dann am Ende nach Hey Julis! Was wir über die Zeit erkennen konnten, war, dass die Songstrukturen und englischen Lyrics am ehesten denen von Pop-Songs entsprechen und doch waren es keine Pop-Songs, da sie dafür zu ungewöhnlich waren – teils rockig, teils verjazzt, elektronisch tanzbar oder cinematisch atmosphärisch, auf jeden Fall „anders“. Wobei das „anders“ kein Anspruch oder Ziel von uns ist, sondern einfach passiert, wenn wir zusammen schreiben und anfangen, aufzunehmen. Wir sind zwar „nur“ zu zweit, allerdings spielen wir beide verschiedene Instrumente, die wir oft auch gleichzeitig in unseren Aufnahmen verwenden. Vor allem das Saxophon, von Julia gespielt, aber auch das Fender Rhodes (ein Vintage Piano aus den 70ern) gehören zu unseren Lieblingszutaten. Wir singen beide gerne und schreiben alle Songs zusammen, sodass wir uns irgendwann gesagt haben, warum muss es überhaupt einen einzigen „Hauptgesang“ geben und wer legt das fest? So gibt es eine Reihe an Songs, in denen wir uns innerhalb des Songs abwechseln und jeweils den Hauptgesang übernehmen (wie z.B. in „Dream Definer“), während der andere dann Harmonien singt (wir lieben es, richtig viele Spuren aufzunehmen und die Harmonien und Stimmen zu schichten). Wir experimentieren viel, auch mit Aufnahmetechniken, die wir in unserem Proberaum ausprobieren. Von Synthesizern, über Vocoding bis hin zu rotierenden Lautsprechern, über die wir beispielsweise für unseren Song „Driving Backwards“ das Saxophon aufgenommen haben. Oft entstehen unsere Ideen aus einer „Blödelei“, wenn man so will – wäre das nicht skurril, das so aufzunehmen? Hast du sowas schon mal gehört? Dann probieren wir unsere Ideen aus und das, was uns begeistert, behalten wir. So haben sich beispielsweise auch Tiergeräusche durchgesetzt, die im Chorus von „Endless Nights“ zu hören sind oder ein echter, norddeutscher Sturm, den wir am Fenster aufnahmen und der die Atmosphäre von „Dream in a Jar“ ausmacht. Wir können uns sehr glücklich schätzen, dann irgendwann doch noch ein Genre gefunden zu haben, das unseren Sound am besten beschreibt: Progressive Pop. Hier kann man an Bands wie Supertramp und Genesis, aber auch an Kate Bush oder die Beatles denken. Das Genre allein verrät zwar noch nicht allzu viel über den Sound, aber es verrät einem das Mindset, mit dem geschrieben wird und mit dem auch wir unsere Songs schreiben: Offen für Neues, neugierig, innovativ und experimentierfreudig, nicht begrenzt durch Vorgaben oder einen bestimmten Sound, Fragen stellend und den Status Quo herausfordernd, persönlich und authentisch. Zu Beginn hatten wir Sorge, dass unsere Songs jeweils zu unterschiedlich sind oder dass der Gesamtsound von Hey Julis! chaotisch wirken könnte. Dann haben wir uns neulich erst unsere gesamte Diskographie angehört und festgestellt: Unsere Songs gehören soundtechnisch alle zusammen und ergeben ein sich entfaltendes und atmendes Gesamtwerk, das einfach unsere menschliche Erfahrung in ihren Facetten, Nuancen und ihrer Vielseitigkeit ausdrückt. Die Werke schließen sich nicht aus, sondern sind wie kleine Puzzleteile unserer Persönlichkeiten und Gefühle, die zusammen die „Person“ Hey Julis! erlebbar machen. Mal mystisch und geheimnisvoll, mal romantisch und verträumt, mal traurig und ernst, mal verzweifelt und energisch, mal entspannt und lustig, mal bekloppt und mit einem Augenzwinkern – immer lebendig und immer Hey Julis!

 

Wie wichtig ist für euch das Live-Geschäft und hat euch die Pandemie stark getroffen? Wie war das für euch? Hatte diese Zeit Einfluss auf die Art und Weise, wie und welche Musik ihr heute macht?

Wir haben uns offiziell im Oktober 2020 gegründet, das heißt, dort entstand erstmals die Idee, „Hey Julis!“ zum Leben zu erwecken. Wir befanden uns mitten in der Pandemie, ein Impfstoff wurde zu dem Zeitpunkt erstmals erprobt. Es ist eigentlich nicht lange her und doch fühlt sich diese Zeit, musikalisch wie pandemisch betrachtet, wie eine historische Erzählung an, die in der Rückschau auf eine gewisse Weise auch unwirklich wirkt. Für uns war es zunächst nicht entscheidend, ob Konzerte stattfinden, da wir erstmal einen Proberaum finden mussten und dann, nach unserem Einzug, der schnell erfolgte, gefühlt jede freie Minute dort verbrachten. Wir haben unfassbar viele Songs geschrieben, aufgenommen, geprobt und dann im August 2021 unser erstes Konzert gespielt – den Bootshafensommer in Kiel.  Und dann so viel gespielt, wie es nur ging. Wir erinnern uns besonders an ein größeres Konzert, als die Beschränkungen wieder mehr wurden, und dann, einen Tag vor dem Konzert, plötzlich das Spielen von Blasinstrumenten untersagt war. Beziehungsweise, keiner so richtig wusste, was erlaubt ist und was nicht, und jeder so seine ganz eigene Wahrnehmung hatte, was Verordnungstexte und deren Interpretation anbelangte. Wir entschieden uns deshalb, unser Konzert mit Maske und ohne Saxophon zu spielen und es war eine sehr rührende Erfahrung. Das Publikum freute sich einfach und war dankbar, dass das Konzert stattfand. Die Skurrilität, die bei auf einer Bühne singenden Leuten mit Masken nicht ausblieb, sorgte für eine Mischung aus Erheiterung und einem Gefühl des Verbundenseins, da wir (das Publikum und wir) alle im gleichen Boot saßen, in der gleichen, absurden Situation in einem unreal wirkenden, zeitgeschichtlichem Moment. Wir mussten auch unsere Songs komplett neu konzipieren, statt Saxophon spielte Julia dann Gitarre und Klavier, die Songs klangen ganz anders und hatten einen neuen, eigenständigen Sound, den sie auch so nie wieder haben werden – das gemeinsame Erleben mit dem Publikum sowie die kreativen Herausforderungen waren eine tolle Erfahrung für uns, die wir nicht missen möchten.

 

Um welche Themen kümmert ihr euch als Band selbst, welche Themen habt ihr vielleicht ausgelagert und warum? Welche Erfahrungen habt ihr dabei gemacht?

Wir sind zu 100 % DIY-Künstler. Das klingt zwar zunächst nach einem fragwürdigen Bastelprojekt, meint in dem Zusammenhang aber, dass wir alles selbst machen. Das heißt, wir schreiben unsere Songs, nehmen sie selbst auf, mischen, produzieren und mastern sie, kümmern uns um die Veröffentlichungen, planen unsere Konzerte und konzipieren unsere Shows, kommunizieren und posten auf unseren Social-Media-Kanälen, machen Livestreams auf TikTok und auch Dinge wie unsere Buchhaltung. Egal was es ist, es ist 100 % Hey Julis! und die Personen dahinter sind wir, Tim und Julia. Mitunter ist die Arbeitsbelastung hoch, auf der anderen Seite schätzen wir die Freiheit und Dynamik, die dadurch entsteht. Manchmal haben wir uns gefragt, ob wir untereinander etwas besser aufteilen können, indem zum Beispiel einer die Songs abmischt und der andere Social Media macht. Aber wir machen einfach gerne alles zusammen und sind darüber hinaus beide sehr klar, was unsere eigenen Vorstellungen und Ideen betrifft. Da würde der andere nicht den Raum bekommen, der ihm zusteht, wenn man die Bereiche auf unsere Personen aufteilen würde. Das ist vielleicht aus einer Zeitmanagement-Perspektive gesprochen nicht so effektiv, aber wir können mit Sicherheit sagen, dass alles, was nach „Außen“ gelangt, von uns beiden in gleichem Maße erstellt, bearbeitet und „abgesegnet“ wurde und in jedem Bereich absoluter Konsens herrscht, hinter dem wir als Hey Julis! und als Einzelpersonen stehen und uns repräsentiert fühlen. Was unsere musikalische, kreative Arbeit betrifft, können wir uns überhaupt nicht vorstellen, da etwas abzugeben. Da wir sehr neugierige und vielseitig interessierte Menschen sind, bringt es uns auch Spaß, uns Wissen und Fähigkeiten anzueignen, auch in Bereichen, die auf den ersten Blick nichts mit direktem „Musik machen“ zu tun haben. Seit kurzem arbeiten wir mit einem befreundeten Videographen, Paul Lendzian, zusammen, mit dem wir Musikvideos für YouTube erstellen. Das passt sehr gut für beide Seiten. Wir können unsere Ideen und Wünsche uneingeschränkt ausleben und er kann seine Objektive oder andere technische Dinge, die er sonst in seinem Arbeitsalltag nicht einsetzen kann, ausprobieren und testen. So hat sich eine Win-Win-Situation ergeben, zumindest hoffen wir das, da wir sehr dankbar über seine Offenheit und Fähigkeiten sind. Perspektivisch können wir uns vorstellen, mit einer Booking-Agentur oder einer Person zusammenzuarbeiten, die uns bei der Gig-Planung hilft. Wir glauben, das könnte uns bereichern und zu einer Art Entspannung in diesem Bereich führen. Aber auch da muss es für uns passen und wir haben bisher noch niemanden gefunden, mit dem wir uns menschlich wie fachlich eine Zusammenarbeit vorstellen können.

 

Musik und auch der Zugang zu Musik hat sich in den letzten Jahren stark verändert. Vor allem durch das Internet und die sozialen Medien. Fluch oder Segen? Und welche Rolle spielen die sozialen Medien für euch persönlich? Wie wichtig sind Instagram, Spotify, YouTube, TikTok für euch?

Was uns in diesem Zusammenhang am meisten überrascht hat, war, dass sich vor allem TikTok für uns als großes Geschenk herausgestellt hat. Wir fühlen uns auf der Plattform sehr wohl und unsere Community ist mega süß und bestärkend. An und für sich finden wir es toll, dass jeder, der Musik macht, nun die Möglichkeit hat, seine Musik und Ideen mit anderen zu teilen. Auch die Möglichkeiten, zu Hause und unabhängig von Dritten Musik aufzunehmen und zu präsentieren, sind großartig. Das einzige, was uns an Social Media missfällt, ist, dass gewisse Metriken, wie Followeranzahl oder Likes, kein geeignetes Mittel sind, um die Qualität oder ganz allgemein den Wert von Kunst zu bemessen. Kunst ist für uns nicht skalierbar, da sie einen innewohnenden Wert besitzt, der unveränderbar und gleichbleibend ist. Nehmen wir Adeles Song „Easy on Me“. Der hatte an irgendeinem Punkt in der Zeit auch „nur“ 100 Streams, war ja aber kein anderer oder schlechterer Song als jetzt. Diese Zahlen sagen einfach nichts über die Qualität, „Großartigkeit“ oder den Wert für den Einzelnen oder für Viele aus. Ein Song mit 10 Streams kann vielleicht dazu geführt haben, dass jemand in einer schweren Lebensphase wieder Mut fassen konnte. Ist dieser Song wertloser oder schlechter als ein anderer Song mit 10 Millionen Streams? Für die Person, deren Leben und Gefühle sich dadurch positiv verändert haben, könnte er nicht wertvoller sein. Für die Person, die ihn geschrieben hat und dadurch ein wichtiges Gefühl erfolgreich verarbeiten konnte, könnte er nicht wertvoller sein. Insbesondere bei Social-Media-Plattformen geht es irgendwie darum, die Wahrnehmung von Kunst zu beeinflussen, was für uns das Thema verfehlt, ehrlich gesagt. Klar, das ist der vordergründige Marketinggedanke und natürlich kann man seine Musik vermarkten, muss dies vielleicht, wenn man Geld verdienen möchte und kann sich so ein Following aufbauen. Der Umkehrschluss, dass jemand mit wenig Followern schlechte Musik macht beispielsweise, ist natürlich Blödsinn und auch schlicht ungerecht. Jemand mit, sagen wir, 10 Followern auf Instagram hat vielleicht die Wahrnehmung seiner Musik noch nicht zahlbringend beeinflusst, oder unter Umständen auch keine Lust oder kein Budget, für Werbung oder Follower zu bezahlen. Theoretisch, so sehen wir das, sitzt jeder auf einem Berg an „Hits“, völlig egal, was er für Musik macht oder wo sich seine Zahlen gerade befinden. Es schmerzt uns, wenn Musiker bei diesem Zahlenspiel mitspielen, und noch mehr, wenn sie sich mit den Zahlen anderer vergleichen und dann zu der Erkenntnis kommen, dass ihre Musik „schlecht“ ist. Es gibt keine Metrik, keinen Maßstab für Kunst, niemand weiß, wie man Kunst „bewerten“ kann und es werden Hilfsmittel und Methoden gesucht, die letztendlich nicht funktionieren. Der Markt ist skalierbar, Kunst ist es eben nicht. Das ist sicher ein Problem in einem freien Markt, aber wie wir finden, auch das besondere und einzigartige an Kunst. Wir selbst versuchen, so zu posten, wie es sich für uns richtig anfühlt. Und manchmal haben wir auch mal mehrere Wochen keine Lust, beispielsweise auf Instagram zu beweisen, dass wir noch leben und immer noch Musik machen. Vielleicht nicht die beste Haltung, wenn es um Vermarktung geht, aber wir finden, dass wir uns wohlfühlen müssen und die Plattformen auch ein Stück weit zu uns passen müssen. TikTok ist da dankbarer, da wir uns dort freier fühlen und auch den Eindruck haben, authentisch, vor allem aber in Kontakt mit anderen zu sein. Deshalb halten wir uns da lieber auf. Wir lieben auch unseren Discord Server, auf dem wir uns mit unserer Community direkt und persönlich austauschen, und auch mal ein Meme teilen. Das wäre früher so nicht möglich gewesen und wir finden es großartig, dass wir als Menschen für unsere Hörer erreichbar und ansprechbar sind.

 

 

Wenn ihr auf eure Bandgeschichte zurückblickt, was waren eure musikalischen Highlights?

Auch wenn es viele Ereignisse gab, die wir als „Highlights“ bezeichnen würden, wie ein mitsingendes Publikum oder eine große Festivalbühne, so sind es eher kleine wie große Erkenntnisse, die unsere musikalischen Highlights sind. Da fallen uns die vielen, kleinen Momente im Proberaum ein, wenn wir beim Machen plötzlich dieses „das isses!“-Gefühl hatten und uns eine musikalische Idee völlig begeisterte. Das Gefühl ist schwer zu beschreiben, es ist, als hätten wir beide gleichzeitig etwas Kostbares gefunden, ein hochschwingendes, strahlendes Gefühl des Findens und Erkennens, das wir untereinander teilen und uns in Verbindung sein lässt. Eine weitere Sache, die uns in diesem Zusammenhang immer in Erinnerung bleiben wird, war die Erkenntnis, dass wir uns auch auf der Bühne musikalisch nicht beschränken müssen. Da wir zu zweit sind, standen wir anfangs oft vor dem Problem, dass wir viele Songs live nicht so umsetzen konnten, wie wir sie innerlich vor Augen hatten. Man kann eben nicht gleichzeitig Bass, Gitarre und Saxophon spielen und dabei noch singen, rein anatomisch waren wir da begrenzt. Daher waren unsere Live Auftritte und auch unsere ersten Veröffentlichungen klanglich eher „reduziert“ und „akustisch“, da wir nichts veröffentlichen wollten, was wir live nicht umgesetzt bekommen. Es gab Versuche, andere großartige Musiker hinzuzunehmen, aber das funktionierte aus verschiedenen Gründen nicht, alleine schon deshalb, weil wir wie oben beschrieben sehr nah beieinander sind und in gewisser Weise auch kein Raum mehr da war für eine andere Person. Es fühlte sich irgendwie falsch an und störte die Nähe zwischen uns beiden, wir wollten auch niemanden, der „Außen vor“ ist und uns in dem Sinne „begleitet“. Es war sehr schnell klar, dass Hey Julis! unser Ding ist und der Ansatz der gleichberechtigten, kreativen Beteiligung, die wir schätzen und wollen, mit weiteren Leuten nicht umsetzbar ist. Aus irgendeinem Grund fiel uns erst später „ein“, dass wir ja mit sogenannten Backing-Tracks spielen könnten, das war für uns bahnbrechend. Wir haben dann die Instrumente, die wir live nicht auch noch bedienen können, im Proberaum selbst eingespielt und aufgenommen. Diese Aufnahmen nehmen wir mit zu den Konzerten und spielen sie auf der Bühne ab, begleiten uns so gesehen selbst. Das ist toll und bringt extrem viel Spaß, es ist, als ob ganz viele Leute auf der Bühne stehen würden, die aber alle Tim & Julia sind. Wie ein Orchester aus uns selbst, mit unseren verschiedenen Talenten und Eigenschaften, mit uns selbst. Nach dem Motto „Wer bin ich – und wenn ja, wie viele?“  sind wir so auf irgendeine Art doch ganz viele geworden und gleichzeitig nur wir beide geblieben.

 

Die typische Floskel-Frage, die aber natürlich nicht fehlen darf, muss ich euch auch stellen. Was würdet ihr jungen Bands, die gerade entstehen, raten? 

Wir wissen zwar nicht, ob wir jungen Bands etwas raten können (denn genau das kann schnell zur Falle werden, wie wir gleich ausführen werden), aber wir wissen, in welchen Bereichen wir gerne selbst mehr Klarheit und Sicherheit gehabt hätten – sowohl als Musiker als auch als Menschen, die sich und die Welt entdecken. Als wichtigste Fragen und gleichzeitig Erkenntnisse haben sich für uns folgende Dinge herausgestellt: „Will ich das Feedback glauben?“ und „Ist es für mich wahr, was die andere Person sagt?“ In einigen Fällen ist eine weiterführende Frage ebenfalls hilfreich, nämlich : „Was ist die Motivation der anderen Person, mir das jetzt zu sagen?“ Wenn es mal „schneller“ gehen muss, hilft uns auch folgende Frage, die wir uns dann innerlich und im Dialog stellen: „Stärkt uns das gerade oder schwächt es uns?“ Eine herrliche Frage, um Irritationen schnell einer Sortierung zuzuführen. Nicht jeder Ratschlag ist gut gemeint, nicht jeder teilt die eigene Freude – auch wenn man denkt, dass es so sein müsste und man selbst so gestrickt ist, dass man sich für andere freut. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass viele Menschen in Kontakt mit ihrem eigenen Schmerz und ihrer Selbstablehnung kommen, wenn sie andere sehen, die sich freuen und etwas Wunderbares erschaffen, das sie erfüllt. Da das sicher nicht angenehm ist (für die mit ihrem Schmerz konfrontierten Person), scheint es vielen zu helfen, den anderen abzuwerten, um sich selbst dadurch größer und besser zu machen –  und sich am Ende des Tages selbst etwas besser aushalten zu können, wenn auch nur für einen Moment. Hier war es für uns regelrecht bahnbrechend, zu erkennen, dass man sich aussuchen kann, wem man glauben will, was man mitnehmen will und welche Aussagen und Verhaltensweisen man innerlich zur Mülldeponie fahren kann. Dabei können selbst Komplimente, versteckte Beleidigungen oder ungefragte Kritik enthalten. Gerade am Anfang haben wir unglaublich viel irritierendes Feedback erhalten, direkt nach einem Auftritt oder auch von nahestehenden Personen, obwohl wir nicht danach gefragt hatten. Ob es nun ein Konzertbesucher war, der uns nach einem Auftritt begeistert lobte, dann aber darauf verwies, dass das alles eigentlich nur gut klingen würde, wenn wir uns einfach mal von dem Saxophon verabschieden würden – oder ein (ehemals) befreundeter Musiker, der uns nach Veröffentlichung einer unserer Songs anrief und nun Bearbeitungsvorschläge gab, wie man aus unserer „Songidee“ dann doch noch was „Richtiges“ machen könne. Dies sind nur Beispiele, die sich in eine Vielzahl an sexistischen und herabwürdigen Bemerkungen, die wir vor allem persönlich erfuhren, einreihen. Das waren viele bittere, aber letztendlich sehr befreiende Erfahrungen auf dem Weg zu uns selbst. Mittlerweile lassen wir uns nicht mehr von unglücklichen Menschen irritieren und erkennen diese unmittelbar – es hat sogar angefangen, regelrecht Spaß zu machen, solchen Individuen zu begegnen und sie freundlich, wenn auch bestimmt, darauf hinzuweisen, dass man ihre Meinung nicht teilt. Manchmal werden die dann sogar plötzlich richtig nett, das ist dann auch immer eine kuriose Beobachtung und hat bei der Rückfahrt von manchem Konzert schon zu größter Amüsiertheit im Fahrzeuginnenraum geführt. Wir wissen, was wir wollen, was wir mögen und wie wir klingen wollen. Es ist kein zufälliges Werk und die Fragen nach dem „ist das gut?“ und „soll das so?“ haben wir uns selbst schon lange mit einem „Ja!“ beantwortet, bevor wir unsere Musik anderen überhaupt zeigen. Also als „Rat“ oder besser als Anregung, vielleicht Folgendes: Fragt euch nur selbst, wie ihr eure Musik findet. Das ist die Antwort auf alles, was von außen kommt oder kommen könnte. Bleibt absichtsvoll, klar und vor allem bei euch selbst und glaubt niemandem, wenn sich das Gesagte nicht wahr anfühlt – Egal welche Person es sagt oder wie „wichtig“ sie vorgibt zu sein (oh ja, es gibt sehr viele „wichtige“ Leute in der Musikbranche). Es gibt so vieles, was wir für uns beobachtet und gelernt haben. Vielleicht eine Sache noch, mit der wir uns selbst lange gequält haben, auch schon vor unserer Bandgründung: Spielt nicht mit Menschen zusammen, die ihr nicht mögt oder mit denen es nicht passt, egal, wie gut sie ihr Instrument beherrschen. Es geht zwar in erster Linie um die Musik, aber was ist Musik am Ende für euch? Für uns ist Musik Freude, eine bejahende Haltung dem anderen gegenüber, Harmonie aber auch Disharmonie, die Möglichkeit, sich selbst uneingeschränkt ausdrücken zu können, authentisch sein, ein sicherer Raum zur Selbstentdeckung, Wachstum, Vertrauen, eine Möglichkeit, den anderen zu erleben, zu erlauben und kennenzulernen – eine verbindende Erfahrung, die mit bestimmten Menschen einfach nicht möglich ist und die sich nicht mit jedem entfalten lässt.

 

Wie sehen eure Pläne in naher Zukunft aus? Was steht bei euch an? Und wo kann man euch finden?

Es ist irgendwie paradox, vielleicht aber auch nicht. Je mehr wir nach außen gehen, desto näher kommen wir uns selbst und identifizieren immer mehr, was wir wichtig und schützenswert finden. Je mehr Auftritte wir spielen, je mehr Social Media wir machen oder Menschen uns kennen, desto mehr erkennen wir für uns, was uns Freude bringt und was wir genießen, wie zum Beispiel uns auch mal für längere Zeit im Proberaum einzuschließen und an unseren Songs zu arbeiten. Darüber hinaus sind wir zum Beispiel bei der Planung unserer Konzerte absichtsvoller geworden, uns geht es nicht mehr darum, möglichst viel zu spielen, sondern dort zu spielen, wo wir uns wohlfühlen und wir einfach gerne sein wollen. Für nächstes Jahr im April haben wir eine Tour geplant und sind immer noch dabei. Da haben wir schon richtig Lust drauf, zumal sich über die Pandemie einiges an Reiselust bei uns aufgestaut hat und rauswill. Wir lernen im Moment jeden Tag spannende, neue Leute kennen, so wie dich, es ist sehr lebendig im Moment und wir genießen das sehr. Wir sind einfach offen für das, was passiert und wie es sich für uns anfühlen wird. Darüber hinaus arbeiten wir an einer Vinyl, für die wir ein Crowdfunding ins Leben gerufen haben, da wir keine finanzielle Unterstützung von außen haben. Wir lieben physikalische Medien und finden, eine Vinyl passt einfach sehr gut zu uns. Das Crowdfunding kann auch weiterhin unterstützt werden, den Link findet ihr hier: LINK!

 

Weitere Informationen zur Band Hey Julis! findet ihr in den sozialen Netzwerken.

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